Razzien gegen Neonazi-Gruppe "Hammerskins" Aktuelle Stunde 19.09.2023 15:48 Min. UT Verfügbar bis 19.09.2025 WDR Von Bernd Neuhaus

"Hammerskins": Razzien in vier NRW-Städten nach Verbot von Neonazi-Gruppe

Stand: 19.09.2023, 18:20 Uhr

Nach dem Verbot der Neonazi-Gruppe "Hammerkins" und der Unterstützer-Gruppe "Crew 38" haben Einsatzkräfte Wohnungen in vier NRW-Städten durchsucht.

Von Jörn Kießler und Sabine Tenta

Seit den frühen Morgenstunden haben Einsatzkräfte des Bundeskriminalamts (BKA) und der Landespolizei mehrere Wohnungen von Mitgliedern der Neonazi-Gruppe "Hammerskins" durchsucht. Die Gruppierung sowie deren Unterstützer-Gruppe "Crew 38" waren zuvor von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verboten worden.

Festnahme in Jamel in Mecklenburg-Vorpommern | Bildquelle: WDR

Vier Objekte in NRW durchsucht

Ziel der Razzia waren nach Informationen des BMI die Wohnungen von 28 Vereinsmitgliedern in zehn Bundesländern. In NRW durchsuchten die Ermittler Wohnungen in Düsseldorf, Bochum, Goch und Wetter an der Ruhr. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte am Mittag, dabei habe man drei Vereinsmitglieder persönlich angetroffen. Ein viertes Mitglied sei in Baden-Württemberg ausfindig gemacht worden.

Durchsuchungen in Wetter an der Ruhr | Bildquelle: WDR

Reul spricht von "Verfassungsfeinden"

Reul erklärte, es seien viele Beweismittel sichergestellt worden, darunter Schlagringe, IT-Datenträger und rund 1.000 Musikdatenträger. "Offensichtlich war es Zeit, aufzuräumen", so das Fazit des Landes-Innenministers. Die nun verbotene Gruppe charakterisierte Reul als "Verfassungsfeinde", ihr "Lebenselixier" sei eine rechtsextreme Weltanschauung.

Ziel der Gruppierung sei der "Schutz der weißen, arischen Rasse" gewesen. Sie hätten als Veranstalter von Musik- und Kampfsportveranstaltungen eine Vielzahl politisch motivierter Taten toleriert, wie das Zeigen des Hitlergrußes und weiterer verfassungsfeindlicher Symbole. Zudem hätten Mitglieder und Anwärter der Gruppe an Schieß- und Waffentrainings teilgenommen.

Die Journalistin Julia Regis hat lange zu den "Hammerskins" recherchiert und einen Film dazu gemacht. Am Dienstag sagte sie dem WDR: "Sie begreifen sich als Elite der Neonazi-Szene. Sie sind eine verschworene, gar nicht so große Gemeinschaft und es kommt nicht jeder rein. Man muss sich quasi hocharbeiten." Es gebe ein straffes Regelwerk: Drogenkonsum sei ebenso verboten wie die Kommunikation mit der Polizei oder den Medien.

Kontakt zum NSU

"Die Ideologie ist klar rassistisch, antisemitisch, rechtsextrem und offen für Gewalt. Dazu gehört auch der Tag X, der gewalttägige Umsturz des Systems, dem man entgegenfiebert", sagt Regis. Einige Mitglieder tauchten sogar in den NSU-Akten auf. "Es gab zum Beispiel einen, der galt als Mitwisser. Der musste mehrfach im NSU-Prozess ausagen. Der hatte engen Kontakt zu NSU-Unterstützern, zu Ralf Wohlleben zum Beispiel, und war mit einer Frau zusammen, deren Identität Beate Zschöpe als Tarnung benutzt hat."

Ableger von US-Neonazi-Gruppe

Das Bundesinnenministerium teilte zur Begründung des Verbots mit, der Verein richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die Neonazi-Gruppe ist ein Ableger einer Gruppierung aus den USA und existiert in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre. Zu den rechtsextremistischen Vereinigungen, die in den vergangenen Jahren verboten wurden, zählen "Combat 18" und "Nordadler".

Laut Ministerium ist es das 20. Verbot einer rechtsextremistischen Vereinigung durch das Bundesinnenministerium. Faeser, die SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober ist, bezeichnete das aktuelle Verbot der "Hammerskins" als "harten Schlag gegen den organisierten Rechtsextremismus". Und ihr Kollege in NRW sagte, das Verbot zeige, "der Rechtsstaat greift durch, die Demokratie wehrt sich mit legalen Mitteln".

Warum das Verbot gerade jetzt erfolgt, wurde NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gefragt. Er lächelte vieldeutig und sagte: "Ich kann es nicht begründen, vielleicht waren heute die Fakten zusammen." Auch Nancy Faeser musste sich angesichts der Anfang Oktober stattfindenden Hessenwahl dieser Frage stellen: "Warum jetzt bestimme ja nicht ich, sondern die Ermittlungsbehörden." Und die hätten jetzt alle Materialien zusammengetragen, so Faeser weiter.

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums
  • Pressekonferenz von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)
  • Pressekonferenz von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)