Interne Chats: Was Springer-Chef Döpfner vorgeworfen wird und wie er reagiert
Stand: 13.04.2023, 20:17 Uhr
Was denkt Springer-Chef Döpfner über Ostdeutsche, den Klimawandel und die FDP? Das lässt sich jetzt angeblich in Mails und Chatnachrichten nachlesen, die die "Zeit" veröffentlicht hat. Vertreter aus Medien und Politik äußern scharfe Kritik.
"Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig." Mathias Döpfner, Chef des Springer-Verlags, hält angeblich von Ostdeutschen nicht viel. Das ist zumindest einem langen Bericht der "Zeit" zu entnehmen. Die Wochenzeitung veröffentlichte am Donnerstag Aussagen von Döpfner aus internen Dokumenten, die sie nach eigenen Angaben einsehen konnte.
Dabei soll es sich um Mails und Chatnachrichten aus den vergangenen Jahren handeln, die aus dem engsten Führungskreis des Springer-Verlags stammen sollen. Die Dokumente erschließen demnach tiefe Einblicke in Döpfners Gedankenwelt. Bei Springer erscheinen unter anderem die beiden Zeitungen "Bild" und "Welt".
Abfällige Bemerkungen über Ostdeutschland
Die "Zeit" listete viele Zitate auf. Auffällig ist, dass mehrere direkt von Döpfner an den damaligen "Bild"-Chefredakteur Reichelt gerichtet worden sein sollen.
In den Zitaten, die "Die Zeit" samt der darin enthaltenen Rechtschreibfehler aufführt, geht es zum Beispiel um abfällige Bemerkungen über Ostdeutschland. 2019 soll Döpfner geschrieben haben: "Die ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen."
Ein Freund des Klimawandels
Laut "Zeit" freute sich Döpfner in einer Nachricht von 2017 auch ausdrücklich über die Erderwärmung: "ich bin sehr für den Klimawandel". Die Menschen sollten ihn nicht bekämpfen, sondern sich darauf einstellen, schrieb der Verlagschef demnach. "Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte." Er hasse Windräder.
Merkel als "Sargnagel der Demokratie"?
Als Angela Merkel kritisierte, dass sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich 2020 mit Stimmen der AfD zu Thüringens Ministerpräsident wählen ließ, schrieb Döpfner laut "Zeit" in einer internen Nachricht: "M" habe den Verstand verloren. "Sie ist ein sargnagel der Demokratie. Bald hat die afd die absolute Mehrheit." Laut "Zeit" ist mit "M" wohl Merkel gemeint.
Als die Bundesregierung während der Corona-Pandemie den ersten Lockdown für Ende März 2020 plante, schrieb Döpfner angeblich: "Corona ist eine Grippe gefährlich für alte und kranke". Mit den Maßnahmen würden Politik und Wirtschaftsführer "unsere offene Gesellschaft für immer zerstören". Ein paar Tage später folgt die Notiz: "Das ist das Ende der Marktwirtschaft. Und der Anfang von 33." Möglicherweise ein Hinweis auf die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933.
Wahlkampf-Unterstützung für die FDP?
Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 schrieb Döpfner: "Unsere letzte Hoffnung ist die FDP." Nur wenn die Liberalen sehr stark würden, könne "das grün rote Desaster vermieden" werden. "Können wir für die nicht mehr tun. Die einzigen die Konsequenz gegen den Corona Massnahmen Wahnsinn positioniert sind. It’s a patriotic duty."
Sechs Wochen bis vor der Bundestagswahl forderte Döpfner den Angaben zufolge: "Kann man noch mehr für die FDP machen? Die sollten 16 Prozent mindestens kriegen." Zwei Tage vor der Wahl schreibt er an den "Bild"-Chef: "Please Stärke die FDP."
Springer-Kreise: "manipulative SMS-Fetzen"
Aus Springer-Kreisen verlautete nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag als Reaktion, der Artikel bestehe aus "manipulativen SMS-Fetzen".
Aus Springer-Kreisen hieß es weiter zu dem "Zeit"-Artikel, Döpfner sei ein meinungsstarker Verlagschef, der aus Prinzip immer Gegenmeinung und Widerspruch herausfordere und dafür immer mal wieder polemisiere. Man lasse sich an dem messen, was in den Publikationen des Verlags stehe, nicht an angeblichen Ausschnitten aus persönlichen Chats. Die Absicht des Artikels sei erkennbar: Er solle Unruhe stiften und vom Wesentlichen ablenken.
Döpfner: "Keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten"
Springer-Chef Döpfner schrieb im betriebseigenen Intranet noch am Donnerstag an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: "Wie ich denke, zeigen meine über vier Jahrzehnte publizierten Artikel. Für jedes veröffentlichte Wort lasse ich mich in die Verantwortung nehmen."
Döpfner betonte in seinem Intranet-Beitrag: "Ich habe natürlich keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands. Aber ich bin seit Jahrzehnten enttäuscht und besorgt, dass nicht wenige Wähler in den neuen Bundesländern von ganz links nach ganz rechts geschwenkt sind." Der Erfolg der AfD beunruhige ihn.
Medienforscher Röper: "Döpfner nicht mehr haltbar"
Der Dortmunder Medienwissenschaftler Horst Röper ist von den Zitaten schockiert. "Ich habe von Döpfner immer viel gehalten als Manager. Er hat Springer zu einem wirtschaftlich sehr gut dastehenden Unternehmen geführt", sagte der Forscher am Donnerstag dem WDR. Inhaltlich habe es immer Kritik an Döpfner gegeben. "Aber was jetzt bekannt geworden ist über seine Denke in Bezug auf Politik, das ist schon unsäglich."
Dortmunder Medienwissenschaftler Horst Röper
Es gehe "überhaupt nicht", sagt Röper, dass Döpfner seine politische Einstellung zu einer "Zielmarke für seine Redaktionen" mache. Auch die Aufforderung, für einzelne Parteien Wahlkampf zu betreiben, sei nicht akzeptabel. "Was in seinem Schädel vorgeht, ist schleierhaft."
Es gehe entschieden zu weit, wenn ein Verleger seine politische Meinung als "Direktiven an seine Redaktionen" herausgebe und sie auffordere, bestimmte Positionen einzunehmen und für bestimmte Parteien Wahlkampf zu machen.
Döpfner sei deshalb in dieser Position für Springer "nicht mehr haltbar".
Meedia-Chefredakteur Winterbauer: "Döpfner sollte zurücktreten"
Zu einem ähnlichen Schluss kommt Stefan Winterbauer, Chefredakteur des Branchendienstes Meedia. Döpfner sollte zurücktreten, wenn er "noch einen Funken Verantwortung für sein Unternehmen hat", sagte Winterbauer am Donnerstag dem WDR.
Die "irren und wirren Gedanken" des Springer-Chefs hätten ein öffentliches Interesse: Jeder sollte wissen, "wer da der Eigentümer und der Chef von einigen der größten Medien in diesem Land ist", so Winterbauer. Es sei außerdem nicht das erste Mal, dass Döpfner durch "schräge Äußerungen" auffällig geworden sei. Man erkenne "ein gewisses Muster".
Kritik aus der Politik
Kritik äußerten auch mehrere Politiker. Unter anderem der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, der die Ablösung des Springer-Chefs forderte. "Herr Döpfner ist nach dieser Veröffentlichung an der Spitze eines Verlages mit dieser publizistischen Macht und mit Blick auf die wichtige Rolle der Medien für unsere Demokratie endgültig nicht mehr tragbar", sagte der SPD-Politiker dem Nachrichtenportal "t-online".
Wirkt die Affäre Reichelt nach?
Mit dem "Zeit"-Artikel holt die Affäre um Reichelt den Medienkonzern, der vor allem in den USA expandieren will, offenbar erneut ein. Reichelt musste im Herbst 2021 seinen Posten als Chefredakteur von Deutschlands größter Boulevardzeitung räumen und den Konzern verlassen.
Hintergrund seines Endes bei "Bild" waren Vorwürfe des Machtmissbrauchs in Verbindung mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen gewesen. Der Journalist selbst hatte später von einer "Schmutzkampagne" gegen ihn gesprochen und hatte Vorwürfe zurückgewiesen.
Über dieses Thema berichten wie im WDR am 13.04.2023 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.