Am frühen Morgen schellt die Polizei an einer Wohnungstür des unscheinbaren Zechenhäuschens in der Nähe der Mülheimer Innenstadt. Im Schlepptau hat sie zwei Gerichtsvollzieher und einen Vertreter der Wohnungsgesellschaft. Vor dem Haus wartet schon ein Umzugsunternehmen. Neugierig beobachten Nachbarn durch ihre Rollos, was in dem Mehrfamilienhaus vor sich geht.
Todkranker Ehemann soll aus Wohnung raus
Mehr als eine Stunde sprechen die Polizeibeamten mit dem Mieter - einer Familie, die seit acht Jahren in der Wohnung lebt. Der 67-jährige Ehemann ist bettlägerig, er hat Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Die 62-jährige Ehefrau versucht noch, die Beamten davon zu überzeugen, dass der sterbenskranke Ehemann unter keinen Umständen transportfähig ist.
Seit Jahren gibt es Ärger mit der Familie
Der Vermieter, ein Mülheimer Wohnungsunternehmen, versucht bereits seit Jahren, die Familie aus der Wohnung zu bekommen. Es gibt Mietrückstände in fünfstelliger Höhe, außerdem sollen Familienmitglieder andere Bewohner des Hauses bedroht haben. Ein Anwohner, der namentlich nicht genannt werden soll, erzählt: "Es gibt unhaltbare Zustände in dem Haus, das kann so nicht weitergehen."
Zwangsräumung immer wieder verschoben
Die Stadt Mülheim begleitet den Fall bereits seit zwei Jahren. "Die Familie hat alle Hilfsangebote abgelehnt", sagt Jörg Hartwich von der Stadt Mülheim. Offenbar ist es auch schwierig, eine geeignete Wohnung zu finden, schließlich hat die Familie einen negativen Schufa-Eintrag, also Schulden. Deshalb wurde eine Zwangsräumung auch seit vielen Monaten immer wieder verschoben.
Räumung beginnt
Doch heute kommt Bewegung in die Sache. Die Möbelpacker rücken an und beginnen damit, die Wohnung auszuräumen. Die Familie hat ihren Widerstand aufgegeben. Auf einer Krankentrage wird der Familienvater in einen Krankenwagen geschoben.
Kurze Zeit später kommt seine Frau aus dem Haus, sie sagt: "Es ist eine Unverschämtheit, einen sterbenskranken Mann aus der eigenen Wohnung zu schmeißen". Dann geht die Tür zu, der Wagen fährt weg. Die Stadt hat eine vorübergehende Unterkunft gefunden, in der die Eheleute mit ihrer erwachsenen Tochter einziehen.
Kritik von Politik
Ein Vertreter der Linken in der Mülheimer Bezirksvertretung ist auch vor Ort und beobachtet die Geschehnisse. Er empfindet die Zwangsräumung als falsch: "Schwerkranke Menschen sind in einer schwierigen Verfassung. Es ist auch eine Frage der Menschenwürde".
Unsere Quellen:
- Stadt Mülheim
- Reporter vor Ort