"Ich bin ein Deichheld", steht auf dem großen Plakat vor dem Hof von Schäfer Mark Ricken in Rees. Darauf abgebildet: Ein Schaf. Der 38-Jährige hat den Betrieb vor zwei Jahren von seinem Vater übernommen. Nun ist er für rund 500 Tiere verantwortlich, doch schon bald kommen weitere 70 dazu, denn ein Berufskollege hat aufgeben. Nach einem Wolfsriss.
Mark Ricken ist Deichschäfer. Er hat einen Vertrag mit dem Deichverband. Denn die Schafe erfüllen eine wichtige Funktion im Hochwasserschutz: Zum Einen festigen und verdichten sie den Boden durch ihre Hufe, zum Anderen sorgen sie für eine gepflegte Grasnarbe, indem sie das Gras gleichmäßig abfressen.
Das ist wichtig, denn so kann kaum Unkraut entstehen und die Verwurzelung des Grases bleibt dicht. Auch das festigt den Deich.
Maschinen können Deichschafe nicht ersetzen
"Wenn kein Schaf mehr auf dem Deich ist, müssten wir das alles maschinell machen. Das ist sehr aufwändig und das Problem ist auch, dass die Maschinen durch ihre Reifen unter Umständen den Boden aufreißen, gerade wenn es viel geregnet hat. Die Schafe bekommen das viel besser hin", erklärt Ingo Hülser, Sprecher des Fachausschusses Hochwasser im Arbeitskreis für Hochwasserschutz und Gewässer NRW e.V. und gleichzeitig Deichgräf vom Deichverband Mehrum.
Immer weniger Schäfer wollen Schafe auf den Deich stellen
Doch immer weniger Schäfer sind bereit dazu, das Risiko einzugehen, ihre Schafe auf den Deich zu stellen, denn hier sind sie nur schwer vor dem Wolf zu schützen. Und: Wer keine geeigneten Schutzmaßnahmen ergreift, bekommt in der Regel auch keine Entschädigungszahlungen, wenn seine Tiere vom Wolf gerissen werden.
Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr verweist auf eine aktuelle Studie des Bundesamts für Naturschutz. Darin werden Beispiele vorgestellt, in denen Schäfer mit mobilen Zäunen arbeiten oder Herdenschutzhunde einsetzten.
"Das ist für uns gar nicht machbar. Ich bin ein Ein-Mann-Betrieb, wie soll ich denn immer wieder all die mobilen Zäune aufstellen und mein Vater kann das schon allein körperlich nicht mehr", sagt Schäfer Mark Ricken.
Und auch Herdenschutzhunde seien für ihn keine Lösung: "Wir haben hier Hundehalter auf dem Deich und Fahrradfahrer, das würde mit Herdenschutzhunden auf dem Deich niemals gutgehen. Das kann man nicht machen."
Ohne Deichschafe Hochwasserschutz nicht mehr sichergestellt
Von der Landesregierung würden sich sowohl der Schäfer als auch der Deichverband Ausnahmeregelungen für Deichschäfer wünschen. "Natürlich gefährdet der Wolf sonst am Ende auch den Hochwasserschutz. Wenn die Schäfer den Aufwand nicht mehr betreiben wollen oder zum Teil auch gar nicht können und aufgeben, dann haben wir keine Schafe mehr am Deich und das ist der Hochwasserschutz in der heutigen Qualität nicht mehr sichergestellt", sagt Ingo Hülser vom Fachausschuss Hochwasser.
Landesregierung arbeitet noch an Lösungen
Wolfsichtungen in Rees und Emmerich
Schäfer Mark Ricken hofft nun sehr, dass es bald eine gute Lösung für ihn und seine Berufskollegen gibt. Gerade erst gab es wieder mehrere Wolfssichtungen in unmittelbarer Nähe. Es gibt Handyvideos aus dieser Woche von der Rheinpromenade in Rees und Aufnahmen aus Emmerich auf denen deutlich ein Wolf zu erkennen ist.
"Dass der Wolf irgendwann auch auf den Deich kommt ist klar. Die Frage ist nur wann", sagt Ricken. "Und was das dann psychisch mit einem macht, ob man dann überhaupt noch weitermachen will, das wird sich dann zeigen."