83 Menschen mussten am Wochenende plötzlich die einsturzgefährdeten Häuser verlassen. Unter den Wohnhäusern war ein instabiler Bergbauschacht entdeckt worden.
Mittelfristig werden die Anwohner wohl länger in Notquartieren bleiben müssen. "Das ist mit Sicherheit eine Sache von Wochen, nicht Tagen", erklärte ein Sprecher. Miete müssten die Menschen für die Zeit nicht zahlen. Außerdem will die Wohnbau den Menschen anbieten, sie im Hotel unterzubringen.
Die Wohnbaugesellschaft hofft, den Menschen in den nächsten Tagen zu ermöglichen, dass sie einzeln und begleitet in ihre Wohnungen können, um einige Habseligkeiten zu holen. Aktuell untersuchen Statiker, wie genau sich der Hohlraum auf die Standfestigkeit der Häuser auswirkt. Außerdem sollen sie Maßnahmen entwickeln, um das Gebäude wieder sicher zu machen. Erst dann wird klar sein, wie lange die Mieter nicht zurückkehren können, heißt es.
Plötzliche Evakuierung Schock für Anwohner
Als die Nachricht kam, dass die Häuser einsturzgefährdet sein könnten, musste es schnell gehen. Mitten in der Nacht mussten die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Häuser in Essen-Freisenbruch packen und dann ihre Taschen und Tüten aus dem Haus tragen. Sie brachten sie zu Autos und bereitgestellten Linienbussen. In den Taschen: nur das Nötigste.
15 Minuten habe sie gehabt, um ihre Sachen zu packen, sagt eine Anwohnerin. Ein Gutachten hatte kurz zuvor ergeben, dass die beiden achtgeschossigen Häuser nicht mehr vollständig standsicher seien.
Unter dem mehrgeschossigen Gebäude im Stadtteil Freisenbruch liegt der Zugang zu einem mehr als 100 Jahre alten Belüftungsschacht (auch Wetterschacht genannt), wie eine Stadtsprecherin erklärte. Die Bergbaubehörde habe dort in der vergangenen Woche Sondierungsbohrungen vorgenommen. Dabei sei der Hohlraum aufgefallen, sagte ein Sprecher der Feuerwehr Essen. Experten der Bauaufsicht hätten daraufhin nach gründlicher Prüfung am Freitagabend die Räumung des Hauses angeordnet.
Einige Bewohner wollten das Haus nicht verlassen
Der Feuerwehreinsatz begann gegen 22 Uhr und endete gegen 3 Uhr am Samstag in der Früh. In den betroffenen Häusern leben auch viele ältere Menschen. Für sie sei es absolut unerfreulich gewesen, am späten Abend ohne Vorwarnung und womöglich für längere Zeit ihre Wohnung verlassen zu müssen, sagte die Stadtsprecherin. Die Evakuierung sei insgesamt ruhig verlaufen, aber einige Bewohner hätten ihre Wohnungen zunächst nicht verlassen wollen.
Die Mehrzahl der Anwohner sei privat bei Freunden und Verwandten untergekommen. Einige pflegebedürftige Bewohner seien vorübergehend in Krankenhäuser gekommen. Die Stadt Essen stellte für die Betroffenen Notunterkünfte bereit: 33 Betroffene wurden laut Stadt in einem Hotel untergebracht, das auch für Geflüchtete genutzt wird.
Wie geht es den Menschen in der Notunterkunft?
Gaby Kaiser ist eine von den Menschen, die in der Notunterkunft untergekommen sind. Seit dem Wochenende hat sie kein zu Hause mehr. Die Leute vom Deutschen Roten Kreuz seien nett, sagt sie. Doch länger hier bleiben, das will sie nicht. Ohne ihr Handy wäre Gaby Kaiser jetzt aufgeschmissen, die Zeit des Wartens vertreibt sich die 71-Jährige mit vielen Spaziergängen.
Das einzig Positive sei, dass sie noch weitere Nachbarn aus der Wohnanlage kennenlerne. Man tauscht sich aus und spricht sich gegenseitig Mut zu. Ihre größte Sorge ist es, gar nicht mehr in die Wohnung zu können: "Ich will nicht woanders hin", sagt Gaby Kaiser. Sie sei extra zu ihrer Tochter in die Nähe gezogen.
Spätfolgen des Bergbaus
Im Ruhrgebiet durchziehen mehrere 1.000 Kilometer Schächte und Stollen die Erde. Immer wieder kommt es dabei zu Tagesbrüchen. Das sind Bergschäden, die sich an der Erdoberfläche zeigen. In Erinnerung ist manchen etwa das Loch von Bochum-Wattenscheid. Im Jahr 2000 bildete sich damals in einem Wohngebiet ein 500 Quadratmeter großer Krater, zwei Garagen versanken damals darin.
Der aktive Steinkohlenbergbau war in Deutschland 2018 nach über 200 Jahren zu Ende gegangen. Auch lange danach bekommt das einstige Betreiberunternehmen RAG weiterhin Tausende Meldungen über Bergschäden an Gebäuden als Folge des Kohleabbaus und der Hohlräume in großer Tiefe.
Grundschulgebäude angehoben in Bottrop-Kirchhellen
Bergschäden werden von der RAG finanziell reguliert und von Fachunternehmen repariert. So wurde beispielsweise 2014 im Zuge der Regulierung ein abgesacktes und in Schieflage geratenes Grundschulgebäude in Bottrop-Kirchhellen hydraulisch um fast einen Meter angehoben. Ansprüche auf Ersatz des Bergschadens verjähren innerhalb von drei Jahren nach dem Bekanntwerden.
Unsere Quellen
- Sprecher Wohnungsgesellschaft Wohnbau eG
- Feuerwehr Essen
- WDR-Archiv
- ANC News
- Nachrichtenagentur dpa
- Reporterin der Aktuellen Stunde vor Ort in der Notunterkunft