Vor seinem 80. Geburtstag macht sich Klaus Fichtel große Sorgen. Nicht um seine Gesundheit, denn er steht noch immer für seinen FC Schalke 04 auf dem Platz. "Mir geht es gut", sagt der älteste Spieler in der Geschichte der Fußball-Bundesliga, "ich bin nach wie vor Trainer der Traditionsmannschaft."
Unbeschwert feiern kann Fichtel am Dienstag dennoch nicht. Denn sein Verein, bei dem er einst als Libero brillierte und sich am 21. Mai 1988 mit 43 Jahren, sechs Monaten und zwei Tagen von der großen Bühne verabschiedete, ist schwerkrank. "Die aktuelle Situation ist sehr besorgniserregend", sagt der WM-Dritte von 1970.
Fichtel sieht "düstere Zukunft" auf Schalke
Die Königsblauen, für die er 477 seiner 552 Bundesligaspiele bestritt, kämpfen in der 2. Liga ums Überleben - sportlich und wirtschaftlich. "Ich befürchte, dass es noch schlimmer wird als letzte Saison", sagt Fichtel, "ich sehe eine düstere Zukunft." Der aktuelle Kader habe zu wenig Klasse, und der Blick auf den Hamburger SV, der im siebten Jahr zweitklassig spielt, zeige, dass "für Schalke ganz schwere Zeiten angebrochen sind".
Schwere Zeiten hat Fichtel selbst bei Königsblau erlebt, denn er war in den Bundesligaskandal verwickelt - wie die meisten seiner Teamkollegen. "Es ist halt passiert, ich will nicht mehr darüber reden", sagt er über das verschobene 0:1 am 17. April 1971 gegen Arminia Bielefeld. Die Sperre, im Januar 1974 vorzeitig aufgehoben, kostete ihn weitere Bundesligaspiele. Als er in dieser Zeit sein Haus in Waltrop baute, pinselten wütende Fans auf das Bauschild den Zusatz: "Hier baut Arminia Bielefeld."
Traum von der Meisterschaft bleibt unerfüllt
Es lag nicht zuletzt am Bundesligaskandal, dass sein größter Traum nicht in Erfüllung ging. Die deutsche Meisterschaft blieb für den Abwehrchef unerreicht. Die junge Schalker Mannschaft um Torjäger Klaus Fischer, Kapitän Stan Libuda und die Kremers-Zwillinge, 1972 Vizemeister und Pokalsieger, wurde auseinandergerissen. Während Bayern München und Borussia Mönchengladbach den deutschen Fußball dominierten, verloren die Gelsenkirchener den Anschluss. Mit Werder Bremen fehlten ihm 1983 lediglich acht Tore zum Titel, der punktgleiche HSV schnappte sich die Schale.
Nach seiner Rückkehr 1984 war für Schalke die Meisterschaft in weiter Ferne. Als die "Tanne", wie er genannt wurde, beim 1:4 gegen Bremen zum letzten Mal auf dem Bundesliga-Platz stand, war sein S04 als Tabellenletzter längst abgestiegen. Doch Fichtel war zum Marathonmann geworden - und die Fans huldigten dem Rekordspieler mit dem legendären Transparent: "Der Wald stirbt - die Tanne steht!"
Fußball als "Ticket für den besseres Leben"
Er war ein echter Knappe, arbeitete als Bergmann, als ihn 1965 der damalige S04-Trainer Fritz Langner bei Arminia Ickern entdeckte und für 1.200 Mark Grundgehalt nach Schalke lockte. "Der Fußball war das Ticket für ein besseres Leben", sagt Fichtel. Und ein langes als Fußballer. Dass sein Rekord jemals von einem Feldspieler gebrochen werden könnte, glaubt Fichtel nicht: "Die Jungs müssen 60 bis 70 Spiele im Jahr machen. Vielleicht schafft es ein Torwart."