Jogginghose in der Schule – ja oder nein? 03:14 Min. Verfügbar bis 05.05.2025

Jogginghose in der Schule – ja oder nein?

Stand: 04.05.2023, 15:49 Uhr

An einer Gesamtschule in Gelsenkirchen haben sich Schüler gegen ein Jogginghosenverbot gewehrt und neue Regeln erarbeitet. Einheitliche Kleiderordnungen gibt es an Schulen im Ruhrgebiet offenbar nicht.

Von Christian Richter

Jogginghosen werden schon lange nicht mehr nur beim Sport und zum Rumlungern auf der Couch getragen. Sie gelten mittlerweile als Modestatement und haben es längst auf die Laufstege der Welt geschafft. Trotzdem gibt es Schulen, die Jogginghosen verbieten – so wie die Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck.

Schülervertretung macht sich stark

Schülersprecherin Marisa Haardt | Bildquelle: WDR

Für die Schülersprecherin Marisa Haardt ist es mittlerweile total normal, im Jogginganzug zur Schule zu gehen. Doch es war ein langer, harter Kampf für die Schülervertretung: "Als wir das wieder eingebracht haben, war das für uns eigentlich ein unmögliches Ding, schaffen wir nicht – aber wir haben's geschafft, weil wir dran geglaubt haben und weitergemacht haben."

Jahrelang gab es Streit um Jogginghosen, bauchfreie Shirts und tiefe Ausschnitte. Das Verbot war zwar in der Schulordnung klar geregelt, aber nicht akzeptabel für die Schülerschaft. Ein Fall für den Stufensprecher Ole Stratmann:

Stufensprecher Ole Stratmann | Bildquelle: WDR

"Wir haben erst in der Schulkonferenz gesagt, wir möchten die Schulordnung gerne komplett abschaffen, um hoch anzusetzen und uns dann runterhandeln zu lassen. Das wurde dann abgelehnt, aber mit dem Kommentar 'Wir hätten gerne von euch einen neuen Vorschlag in einem halben Jahr.'"

"Ich muss das für mich selber lernen"

In einem selbstgebastelten Kleiderkummerkasten sammeln 300 Schüler Vorschläge. Und schnell wird klar: Es geht um mehr als nur um Jogginghosen. "Im jüngeren Alter probiert man sich aus – ich hab auch bestimmt mal ein zu knappes Oberteil getragen, aber ich muss das für mich selber lernen. Und das war so ein bisschen der Punkt, weshalb wir gesagt haben: Das wollen wir ändern!", sagt Marisa Haardt.

Vor der Entscheidung in der Schulkonferenz gehen es die Schüler strategisch an, besprechen ihr Vorhaben schon vor der Konferenz mit den beteiligten Lehrern. Sie fühlen so vor, in welche Richtung die Abstimmung in der Schulkonferenz gehen könnte.

Lehrer und Schulleitung sind zufrieden

Das erfreuliche Ergebnis: Lehrer, Eltern und Schüler stimmen geschlossen für die Änderungen. Trainingssachen und bauchfreie Hemden sind erlaubt, sexistische und rassistische Aufdrucke oder Cappys im Unterricht bleiben verboten.

Schulleiter Volker Franken | Bildquelle: WDR

Die Lehrer und auch Schulleiter Volker Franken können damit gut leben. "Ich glaube, es ist uns eher bei der ersten Schulordnung nicht gelungen, die Schülerinnen und Schüler mitzunehmen. Das war dann eher so eine Abstimmung 'Erwachsene gegen Schüler' und von daher war das wichtig für sie, das Ganze in einem demokratischen Prozess zu machen."

"Kleider machen keine Leute"

Und so steht in der neuen Schulordnung, worauf es den Schülern vor allem ankommt: An unserer Schule machen Kleider keine Leute.

Blick in die Schulordnung der Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck | Bildquelle: WDR

Kleiderordnungen sind Ermessenssache der Schulen

Kleiderordnungen gibt es an Schulen oder es gibt sie nicht. Eine klare Vorgabe vom NRW-Ministerium gibt es für Schüler nicht, nur Lehrer müssen "angemessen" zur Schule kommen. Was die Schüler tragen dürfen und was nicht, darf die Schule vorgeben.

"Die Schulkonferenz kann eine einheitliche Schulkleidung empfehlen, sofern alle in der Schulkonferenz vertretenen Schülerinnen und Schüler zustimmen." NRW-Schulgesetz, §42 Abs. 8

Auf dem Schulhof der Erich Klausener Realschule in Herten haben Jogginghosen nichts verloren. Cappys und Kapuzen dürfen getragen werden, aber nur außerhalb des Schulgebäudes. Darauf haben sich die Mitglieder der Schülervertretung geeinigt.

Schüler stellen Regeln selbst auf

Zu freizügige Kleidung wird nicht gerne gesehen, auch kurze Hotpants oder bauchfreie Tops zum Beispiel sind tabu. Die Regeln haben sich die Schülerinnen und Schüler sogar selbst überlegt. So weiß jeder genau, was geht und was nicht.

"Man fühlt sich wohler, man hält sich auch eher an seine eigenen Regeln, als wenn man das von den Lehrern gesagt bekommt. Da sind dann auch viele eigene Wünsche mit drin", sagt eine Schülervertreterin.

"Kinder müssen sich immer abgrenzen"

Auch der Schulleiter Martin Kissenkötter ist zufrieden. Er und seine Lehrerkollegen hatten schon häufiger überlegt, welche Regeln sie aufstellen sollten. Das haben ihnen die Schüler jetzt abgenommen.

Schulleiter Martin Kissenkötter | Bildquelle: WDR

"Natürlich müssen sich Kinder immer abgrenzen von Erwachsenen und das tun sie unter anderem auch über die Kleidung. Aber wenn Schüler von sich aus sagen, wir würden uns gerne so und so anziehen, dann ist das doch okay", sagt Schulleiter Martin Kissenkötter.

Regeln doch zu streng geraten

Die Schülervertreter der Erich Klausener Realschule haben inzwischen festgestellt, dass ihre eigenen Regeln teilweise ein bisschen zu streng geraten sind und wollen diese jetzt nachbessern. In einer Woche sollen die Änderungswünsche bei der Lehrerkonferenz abgesegnet und beschlossen werden.

Von den Schülern erarbeitete Kleidungsregeln | Bildquelle: WDR

Kontrolle über sein Leben verloren?

Am städtischen Gymnasium in Herten sieht es mit Cappy und Jogginghose wieder anders aus. Hosen mit Löchern gibt es hier, auch sehr legere Kleidung. Jogginghosen sind zwar kaum zu sehen, aber sie sind erlaubt, erzählt ein Schülervertreter.

"Es gibt ja das Zitat von Karl Lagerfeld 'Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren', aber ich finde, das trifft auf unsere Schule nicht zu. Hier hat keiner die Kontrolle über sein Leben verloren, es ist einfach nur ein modisches Accessoire."

Dresscode an Schulen: Streitobjekt Jogginghose WDR 2 Das Thema 23.03.2023 03:33 Min. Verfügbar bis 22.03.2026 WDR 2

Download

Die meisten kleiden sich angemessen – ohne Regeln

Das Bedürfnis, klare Kleidungsregeln aufzustellen, haben die Schüler hier nicht. Weil sich die meisten insgesamt angemessen kleiden, sei das bisher kein großes Thema. Jeder entscheidet selbst, was er oder sie tragen möchte.

Ganz egal ist es aber auch hier nicht, was man trägt, sagt die Schulleiterin Bärbel Schweers. Cappys zum Beispiel seien im Schulgebäude gar nicht gerne gesehen. Aber wann würden sie und die Lehrer eingreifen?

Vertrauen in die Lehrerschaft

Schulleiterin Bärbel Schweers | Bildquelle: WDR

"Ich glaube, das kann man nicht so grundsätzlich beantworten. Da muss man schon schauen, wie sieht das insgesamt aus, wie erscheint die Schülerin, der Schüler? Da vertraue ich sehr auf unsere Lehrerinnen und Lehrer, dass sie einen Blick dafür haben, wie die Kinder im Unterricht auftreten, wie sie sich verhalten, wie sie gekleidet sind", sagt Schulleiterin Schweers.