Zwei Stunden vor Spielbeginn am Freitagabend fängt es in Dortmund an zu nieseln. Das Wetter will den Fans doch keinen Streich spielen vor dem so wichtigen Fußballspiel? Das scheint allen egal – denn der Platz im Dortmunder Westfalenpark füllt sich von Minute zu Minute.
Wer dachte, es gäbe noch keine EM-Euphorie, der wird in Dortmund eines Besseren belehrt. Schwarz-Rot-Gold war auf ganz vielen Wangen zu sehen, Deutschland-Fahnen sowieso überall.
Ein ganz besonderer Glücksbringer
Ahmed Dabak aus Dortmund ist mit einer solchen Fahne zum Public Viewing gekommen. Und er glaubt fest daran, dass Deutschland heute gewinnt. Warum? "Mein Sohn ist der Glücksbringer", sagt Ahmed.
2014 ist er pünktlich zur Weltmeisterschaft in Brasilien geboren worden. Und wir wissen alle, wer dann Weltmeister geworden ist. Zehn Jahre später soll sein Sohn Jakub wieder für Glück bringen.
Deswegen ist er heute beim Public Viewing dabei. Immerhin glaubt er selbst daran, dass Deutschland Europameister wird. Die Tipps heute von ihm: Wirtz, Musiala, Füllkrug. Ein knackiges 3:1 für Deutschland. "Und Manuel Neuer wird alle Bälle halten!", sagt sein Vater.
Sommermärchen reload
Schon 2006 war die Weltmeisterschaft in Deutschland ein echtes Erlebnis für Ahmed. Bis heute erinnert er sich an das Sommermärchen und die ganz ganz besondere Stimmung von damals.
"Und heute, 2024, haben wir auch eine ganz tolle Stimmung hier. Es sind schwierige Zeiten nach Corona und mit Krieg. Aber jetzt kann ich meinen Augen gar nicht glauben. Es ist wie 2006 – nur noch besser!"
Nur ein paar Meter weiter fallen im Meer von weißen und pinken Trikots ein paar Männer mit Schottenrock auf. Sie sind irgendwie überall im Ruhrgebiet – was auch daran liegt, dass die Fans aus Schottland viele Campingplätze im Pott in Beschlag genommen haben.
Schottische und deutsche Fans vereint: Trotz des hohen 5:1 Sieges feierten die Fans beider Mannschaften im Dortmunder Westfalenpark.
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Auch Schottland-Fans dabei
Conor ist mit seiner Truppe aus Glasgow angereist, weil sie heißbegehrte Tickets für das Spiel am nächsten Tag in Dortmund bekommen haben. Italien gegen Albanien – das kann man einfach nicht verpassen.
Nur: Kalt sei es mit dem Schottenrock. Das leugnet er nicht. Zwar regnet es zum Glück den ganzen Abend nicht, frisch ist's aber trotzdem. Denn eine Unterhose hätten sie nicht an, merkt der Schotte ganz diskret an.
Public Viewing im Westfalenpark heißt aber keinesfalls quetschen in die Menschenmenge ganz vorn: Gemütliche Plätze weiter hinten oder am Rand gab’s genug. Fabienne, Anke und Verena haben es sich kurz vor Anpfiff am Rand bequem gemacht.
Klare Favoriten für's erste Tor
Auch sie sagen: 3 zu 1 für Deutschland. Wer die erste Bude macht, ist egal. Verena hat trotzdem einen Favoriten: Nico Schlotterbeck soll’s richten.
Die drei Dortmunderinnen finden die Stimmung zur EM in ihrer Stadt toll. „Ein neues Sommermärchen! Muss einfach sein! 2006 war einfach geil. Und das muss einfach noch mal kommen!“, sagt Verena, mit voller Zustimmung der anderen.
Bei den dreien merkt man, was die Zuschauer kurz vor dem Spiel eint: Alle stehen unter Strom. Als die deutsche Nationalmannschaft im Spielertunnel eingeblendet wird, jubelt die ganze Menge. Als hätten sie alle so lange auf diesen Moment gewartet.
Die EM im eigenen Land vereint
Zwar ist München gut sechseinhalb Autostunden weit weg. Die Deutsche Fußball-Elf fühlt sich trotzdem ganz nah an. Nationalhymmne. Manche singen klangvoll mit.
Und dann geht das Spiel endlich los. Die erste Topchance schon nach zwei Minuten. Ein Raunen geht durch die Menge, als Wirtz am Tor vorbei schießt. Manche verdecken mit ihren Händen die Augen. Viel zu viel Spannung.
Niemand ahnt in diesem Moment, dass der Knoten nur acht Minuten später platzen soll. Florian Wirtz macht ihn rein – in der zehnten Minute. Jubelstürme im Dortmunder Westfalenpark. Hier und da fliegen schon die Bierbecher, das interessiert die Menschen drumherum aber kaum.
Fiiiiinaaaale: Vor der letzten EM-Partie zogen noch mal zahlreiche Fans durch die Hauptstadt.
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Wahnsinns-Jubel bei jedem Tor
Die Dortmunder liegen in den Armen nach der schnellen Führung. Das 2:0 nur wenige Minuten später können manche kaum mehr fassen. Der Jubel – noch viel größer.
Diese Jubelschreie wurden von den Dortmundern nach dem Elfmetertor kurz vor der Halbzeitpause noch mal dicke überboten. Das fantastische Spiel der deutschen Nationalmannschaft lässt manch eine Sorge hier im Ruhrgebiet mal kurz vergessen.
Nach dem Spiel sind sich die meisten Besucher im Westfalenpark sicher: Deutschland holt den Pott. Komme, was wolle. Nach diesem Sieg geht’s nicht anders. Und dann war da noch "Fülle", der Hammerspieler des BVB, der in Dortmund naturgemäß für Stimmung sorgt.
Ein Borusse hat getroffen
"Die Borussen haben getroffen. Mehr brauchen wir nicht!", sagt Anna aus Dortmund. "Alles optimal. Fülle hat einen reingemacht. Emre hat einen reingemacht. Und Neuer hat einen rein bekommen. Besser geht nicht!"
Bei ihr und ihrer Freundin würde die Nacht ziemlich ruhig werden – auch wenn es um sie herum zahlreiche Fans offensichtlich anders sehen. Doch sie sagen, das sei ja gerade mal das Eröffnungsspiel gewesen.
Und wenn Deutschland den EM-Pokal nicht holen würde, dann würden sie es den Schotten gönnen. Trotz des einen verlorenen Spiels. "Ein Spiel kann man ja mal verloren. Ein Spiel, das is ja nix!" Die längst nach Hause gewanderten Schotten würde es freuen.
Dortmund feiert friedlich
Die Polizei berichtete in der Nacht von einem sehr friedlichen Einsatz auf den beiden Dortmunder Fan-Zonen auf dem Friedensplatz und im Westfalenpark.
Längst nicht alle Plätze seien belegt gewesen: Gut 7500 Fans wären zum Anpfiff im Westfalenpark gewesen. Fast dreieinhalb Mal so viele Menschen würden rein passen.
Und Ahmed, der sein Weltmeister-Kind extra zum Public Viewing mitgebracht hat? Er ist nach dem Spiel einfach überglücklich. "Mein Sohn hat es ja vorhin gesagt!" Wirtz, Musiala, Füllkrug. Sie haben alle drei getroffen. Da steht dem Europameistertitel doch nichts mehr im Wege.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter vor Ort
- Gäste beim Public Viewing
- Polizei Dortmund