Dortmund: Erschossener Jugendlicher hatte weder Alkohol noch Drogen im Blut

Stand: 26.10.2022, 15:52 Uhr

Der von der Polizei in Dortmund erschossene 16-Jährige hatte weder Alkohol noch Drogen im Blut. Eine Vorlage für den Rechtsausschuss, die dem WDR vorliegt, zitiert ein entsprechendes toxikologisches Gutachten.

Bislang wurde vermutet, dass Mouhamed D. sich bei dem Vorfall in der Dortmunder Nordstadt am 8. August 2022 möglicherweise unter Drogeneinfluss weiter auf die Polizeibeamten zubewegt hatte, obwohl er zuvor mit einem Taser beschossen worden war.

Thomas Feltes, Professor für Kriminologie an der Ruhr-Uni Bochum, ist überzeugt, dass der Elektroschocker heftige Schmerzen verursacht haben muss. Und man müsse "davon ausgehen ..., dass wir eine Schmerzreaktion haben, die nicht als Angriff interpretiert werden kann."

Kriminologe: Totschlags- oder gar Mordvorwurf steht im Raum

Feltes glaubt auch, dass für die Polizisten ohnehin keine Gefahr bestanden hat, weil der Junge in einem abgeschlossenen Bereich war. "Dieses Gelände ist umzäunt, der Junge hätte nicht dort weggekonnt." Seine Konsequenz: "Wir reden hier jetzt tatsächlich über einen Totschlags- oder gar Mordvorwurf, der im Raum steht."

Der junge Mann aus dem Senegal, der im Innenhof einer Jugendhilfeeinrichtung mit einem Messer hantiert hatte, war von Polizisten zunächst mit Pfefferspray besprüht und danach zwei Mal mit einem Elektroschock-Gerät beschossen worden.

Ermittler: Mouhamed D. muss sich vor Schmerzen gekrümmt haben

Nach einem früheren Bericht an den NRW-Landtag traf dabei der zweite Schuss, dieser habe den Jugendlichen aber nicht gelähmt. Nach dpa-Informationen gehen die Ermittler inzwischen davon aus, dass Mouhamed D. sich vor Schmerzen zumindest gekrümmt haben muss, bevor die Schüsse auf ihn abgegeben wurden.

Und laut Gutachten stand der 16-Jährige nicht unter Drogen- und Alkoholeinfluss, als er Polizisten mit einem Messer bedroht haben soll. Das könnte entscheidend sein bei der Frage, ob die Schüsse verhältnismäßig waren.

Der zuständige Staatsanwalt kritisiert, dass das toxikologische Gutachten weitergegeben wurde, da die Ermittler bislang noch längst nicht alle nötigen Details in dem Fall zusammengetragen hätten. Unter anderem fehle noch die Auswertung der Tonspuranalyse, die klären soll, wann die tödlichen Schüsse gefallen sind.

Verhalten wichtig für weitere Ermittlungen

Das Verhalten des 16-Jährigen nach den Taser-Schüssen ist wichtig, da er daraufhin von einem Beamten mit einer Maschinenpistole erschossen wurde. Nun wird ermittelt, ob dieses Verhalten zur Sicherung der Kollegen nötig war.

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatten bereits Zweifel am Einsatz geäußert. Der Fall ist am Mittwoch im Gesundheits- und Rechtsausschuss des Landtags behandelt worden, allerdings in nicht-öffentlicher Sitzung.