"Die Schäfer melden uns Erschütterndes von den Weiden", sagte Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) der "Rheinischen Post". Die Todeszahlen stiegen kontinuierlich immer weiter, so die Geschäftsführerin des Schafzuchtverbands NRW, Fides Lenz.
Laut Schafzuchtverband kommen die Anstalten zur Tierkörperbeseitigung kaum mit der Abholung verendeter Tiere hinterher. Teilweise stapelten sich die Kadaver bei den Betrieben eine Woche lang.
Der Verband zeigt sich sehr besorgt, welche langfristigen Konsequenzen das für die Schafhaltung in NRW haben könnte. Die wirtschaftliche Lage sei für einige Betriebe schon bedrohlich. Man hoffe nun auf die Unterstützung des Landes zur Rettung der Betriebe.
Blauzungenkrankheit: Schon mehr als 1.470 Ausbrüche in NRW
Seit dem ersten Fall im Herbst 2023 wurden bis zum 8. August laut einem Ministeriumssprecher 1.472 Ausbrüche gemeldet. Davon entfielen 704 auf Rinderbestände, 737 auf Schafbestände und 31 auf Ziegenbestände. Einen aktuellen Überblick gibt es im Tierseuchen-Informationssystem.
Schafzüchter besonders betroffen
Schon im Juli hatte der Schafzuchtverband NRW von einer zunehmend dramatischen Lage berichtet: "Mittlerweile berichten viele Betriebe von Überforderung. Viele Tiere sind erkrankt, müssen intensiv betreut werden. Die Tierärzte, die noch mitten im Impfen waren, sind vollauf beschäftigt und haben vielfach keine Kapazitäten mehr", hieß es auf der Website des Verbands.
Schäfer Maik Randolph aus dem Märkischen Kreis hat schon früher Erfahrungen mit der Blauzungenkrankheit gemacht. Dass die Tiere dann nicht mehr mitkommen und nicht mehr fressen, sei ein typisches Anzeichen für die Krankheit. Vor 16 Jahren hatte das Virus in vielen Schafherden gewütet. Zahlreiche Tiere waren damals qualvoll verendet.
Krankheit für Menschen ungefährlich
Die für Menschen ungefährliche übertragene Blauzungenkrankheit kann auch für Ziegen, Alpakas, Lamas und Rinder tödlich enden. "Klinische Symptome sind Teilnahmslosigkeit, hohes Fieber, vermehrtes Speicheln, Rötung und Schwellung der Kopfschleimhäute sowie die Schwellung und Blaufärbung der Zunge. Die Seuche ist anzeigepflichtig", schrieb der Ennepe-Ruhr-Kreis. Verdachtsfälle seien dem jeweiligen Veterinäramt zu melden. Die Gefahr, dass Fleisch von infizierten Tieren in den Verkauf kommt, besteht laut Schafzuchtverband nicht.
Einfach so verhindern kann man die Krankheit nicht. Laut Maria Rüth, Kreisveterinärin im Märkischen Kreis, passiert die Verbreitung "nur über Insekten, also Gnitzen. Das sind kleine stechende Mücken, die dann von Tier zu Tier wandern." Weil der Winter einfach nicht kalt genug war, gebe es besonders viele Gnitzen dieses Jahr. Schafe untereinander stecken sich nicht an.
Tierarzt Mark Holsteg (Landwirtschaftskammer NRW) rechnete schon im Juli damit, dass die Fallzahlen noch rasant steigen. Zwar seien es in den befallenen Betrieben nur Einzelfälle gewesen, "mit den zunehmenden Sommertemperaturen werden sich die Gnitzen immer weiter mit dem Virus vollsaugen und auch weiter verbreiten." Es laufe alles auf eine flächendeckende Durchseuchung mit der Blauzungenkrankheit hinaus, meinte er.
Impfung gegen Krankheit möglich
Tierhalter können der Krankheit vorbeugen: "Die Impfung bietet den einzigen sicheren Schutz der Tiere vor einem schweren Verlauf und sollte bis zum Beginn der Hauptflugzeit der übertragenden Stechmücken im Sommer abgeschlossen sein", so Amtsveterinärin Barbara Paß.
Dem NRW-Landwirtschaftsministerium zufolge sind aktuell schon 259.610 Tiere geimpft - darunter 185.257 Rinder, 72.589 Schafe und 1.764 Ziegen. In der Regel handele es sich dabei um Tiere in landwirtschaftlichen Betrieben.
Dem Schafzuchtverband NRW sind allerdings auch Fälle in bereits geimpften Herden bekannt. Bei dem Ausbruch der Krankheit in den Jahren 2007 und 2008 gab es die Impfung noch nicht.
Unsere Quellen:
- Bericht der Rheinischen Post
- Daten aus dem Tierseuchen-Informationssystem
- Ennepe-Ruhr-Kreis
- Schafzuchtverband NRW
- Schäfer Maik Randolph
- Lisa Maria Rüth, Kreisveterinärin Märkischer Kreis
- Mark Holsteg, Tierarzt Landwirtschaftsammer NRW