Disziplinarverfahren gegen Hochschullehrer: Studierende vermissen Opferschutz

Stand: 23.08.2023, 16:53 Uhr

Vier Jahre nachdem Studierende erste Vorwürfe gegen einen Professor der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen erhoben haben, sagen sie als Zeugen aus. Und fühlen sich den Anwälten der Gegenseite ausgeliefert.

Von Carmen Krafft

Niklas - inzwischen ehemaliger Student - sitzt die Zeugen-Befragung an der Hochschule noch immer in den Knochen. Seinen Namen haben wir ändert. "Da schauten mich drei Anwälte an. Einer vertrat die Hochschule, zwei den Professor. Und ich war alleine."

Vorwurf: sexuelle Belästigung

Westfälische Hochschule Gelsenkirchen | Bildquelle: WDR

Es geht um sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch - diese Vorwürfe weist der Hochschullehrer seit Jahren zurück. Im Disziplinarverfahren dürften ein Dutzend Studierende und Mitarbeiter als Belastungszeugen aussagen müssen. So viele hatten Gedächtnisprotokolle vorgelegt.

Kein faires Verfahren für Zeugen?

"Schlimm ist, dass man sich im Verhör eher als Täter fühlt und von den rechtlichen Dingen keine Ahnung hat." Professor Holm Putzke, Rechtswissenschaftler an der Uni Passau, sieht sogar die Fairness des Gelsenkirchener Verfahrens in Gefahr.

Fürsorgepflicht der Uni

"Die Hochschule hat eine Fürsorgepflicht auch gegenüber den Zeugen." Einen Anwalt an der Seite zu haben sei hier elementar. Die Hochschule ist nicht verpflichtet, auf das Recht so einer Begleitung hinzuweisen. "Es aber nicht zu tun, halte ich für hochproblematisch", so Professor Holm Putzke.

Hochschule prüft Änderungen

Studierende kritisieren Zeugenbefragung | Bildquelle: 23.08.2033 13:02

Inzwischen hat die Hochschule Gelsenkirchen Änderungen in Aussicht gestellt. Man prüfe, heißt es auf WDR Anfrage, ob man Zeugen auf diese Möglichkeit hinweise. Belastungszeuge Paul - Name geändert - geht mit seinen Vorwürfen aber noch weiter: "Ich war geschockt. Trotzdem versicherte mir der Anwalt der Hochschule, ich selbst bräuchte keinen Beistand."

Verfahren nicht delegieren

Disziplinarrechtler Prof. Holm Putzke | Bildquelle: WDR, Carmen Krafft

Professor Holm Putzke sieht Universitäten als ermittelnde Behörden schlecht beraten, wenn sie Disziplinar-Verfahren wegen sexueller Belästigung an eine Kanzlei, also "quasi einen privaten Dienstleister" delegieren. "Das ist möglich, aber der Staat sollte seine hoheitliche Aufgabe nicht aus der Hand geben." Es gehe um eine Angelegenheit, die seine originäre Aufgabe sei.

Ministerium beruft Vertrauensanwältin

Vertrauensanwältin Michaela Spandau | Bildquelle: WDR, Land Baden Württemberg

Tatsächlich haben Bundesländer wie Baden-Württemberg den Opferschutz verbessert. Strafrechtlerin Michaela Spandau berät als externe Vertrauensanwältin im Auftrag des Wissenschaftsministeriums Studierende und Mitarbeiter wenn es um Fälle sexueller Belästigung geht. Sie berät aber auch die Ansprechpartner der Unis.  „Hochschulen sollten klare Handlungs-Leitlinien haben und Vertrauenspersonen für Betroffene.“

Professor suspendiert

An der Hochschule Gelsenkirchen ist der beschuldigte Professor weiter suspendiert, Zeugenbefragungen laufen. Prof. Holm Putzke ist eines wichtig: In so einem Verfahren gelte es, ganz genau hinzuschauen, alle Seiten zu prüfen. Im September wird sich die Politik im Wissenschafts-Ausschuss des Landtages mit dem Disziplinarverfahren gegen den Professor befassen.