Schon wieder klingelt eines der drei Telefone auf dem Schreibtisch von Remi Roebrocks. Er arbeitet als Disponent bei der Deutschen Bahn. Jeden Tag sitzt er in Duisburg in einem riesigen abgedunkelten Raum neben zwanzig Kollegen. Vor sich schaut er auf sechs Bildschirme. Darauf kann er das gesamte Streckennetz von Nordrhein-Westfalen einsehen – und welche Züge gerade Probleme machen.
Eine kaputte S-Bahn macht Ärger
Am Telefon ist jetzt der Zugführer einer kaputten S-Bahn 8 auf dem Weg von Mönchengladbach nach Neuss. Die S-Bahn ist liegengeblieben, mitten auf der Zugstrecke, auf der jetzt eigentlich andere Züge vorbeimüssen. "Jetzt haben wir die Schwierigkeit, dass wir über das Gleis, über das wir regulär fahren würden, nicht fahren können", sagt Remi Roebrocks.
In mehreren Telefonaten versucht er, einen herannahenden Regionalexpress an der kaputten S-Bahn vorbeizuleiten. Schon jetzt ist der RE4 wegen der kaputten S-Bahn zehn Minuten verspätet. "Und das Szenario ist noch nicht vorbei", sagt er. Weitere Züge könnten sich nun ebenfalls verspäten. "Das ist noch nicht abzusehen, weil die S-Bahn immer noch da steht und nicht abgefahren ist."
Rückbau statt Ausbau
Die Möglichkeiten von Remi Roebroks sind begrenzt – ein Grund dafür: Der sogenannte Mischverkehr, der auf deutschen Bahnschienen die Regel ist: S-Bahnen, Regionalzüge und der Fernverkehr müssen sich an vielen Stellen mit Güterzügen die Gleise teilen. Es ist also eng auf Deutschlands Gleisen. Wenn ein Zug Probleme macht, müssen alle Züge dahinter erstmal warten. Eine Kettenreaktion beginnt, Verspätungen können rasant wachsen.
Der Stau auf Deutschlands Schienen ist auch hausgemacht: In den vergangenen 30 Jahren hat die Bahn rund 20 Prozent der Schienen stillgelegt und die Zahl der Weichen mehr als halbiert.
Zu alt, zu überlastet und zu störanfällig
"Unser Netz ist in Teilen zu alt, zu überlastet und zu störanfällig", schreibt die Deutsche Bahn dem WDR. Und auch der stellvertretende Leiter der Bahnbetriebszentrale in Duisburg, Dirk Staymann, sieht Handlungsbedarf angesichts der Verspätungsstatistik der Bahn.
"Das ärgert mich auch persönlich", sagt er. Zeitnahe Investitionen in die Infrastruktur der Bahn seien unbedingt notwendig, zumal es dauere, bis diese Investitionen tatsächlich bei den Bahnfahrenden ankommen.
Aus viel etwas weniger machen
Als Remi Roebrocks an seinem Schreibtisch jetzt das Telefonat beendet, hat er es tatsächlich geschafft, den RE4 um die kaputte S-Bahn herumzulotsen. Auch wenn ein entgegenkommender Zug dafür jetzt ebenfalls warten muss. Es ist wie in einem riesigen Strategiespiel. Gewinnen kann Remi Roebrocks dieses Spiel allerdings fast nie – ein Erfolg ist bereits, aus viel Verspätung etwas weniger zu machen.