Das Bistum Münster hatte die Missbrauchsvorwürfe gegen den Pfarrer erstmals im Mai veröffentlicht. Daraufhin meldeten sich zahlreiche weitere Betroffene und Hinweisgeber mit konkreten Vorwürfen bei der Interventionsstelle des Bistums. Das gab das Bistum Münster am Dienstag bekannt.
Missbräuche in gemeinsamen Urlauben und im Schulbüro
Alfons Freistühler hat von 1970 bis 1980 als Schulleiter am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Kleve gearbeitet. Der beschuldigte Priester war seit 1971 auch als Seelsorger in Reichswalde eingesetzt und war von 1980 bis 1988 Pfarrverwalter in Keeken und Bimmen. Nach Auswertung der Meldungen geht das Bistum davon aus, dass Freistühler zwischen ca. 1960 und den frühen 1980er-Jahren mindestens 25 Kindern und Jugendlichen im Alter von zehn bis 16 Jahren missbrauchte. Von den 25 Kindern seien fünf Mädchen gewesen.
Die mutmaßlichen Taten reichten laut Akten von "grenzverletzendem Verhalten über Nacktfotos bis zur Manipulation der Genitalien", heißt es in dem jetzt veröffentlichtem Dossier. Die Übergriffe sollen während gemeinsamer Urlaube, in seinem Klever Haus, in einem Pfarrhaus und in seinen Schulbüros geschehen sein. Laut den Erstellern des Dossiers hätten mehrere Betroffene durch die Taten teils schwere psychische Beeinträchtigungen davongetragen.
Erste Anschuldigungen schon vor 35 Jahren
Das Dossier deckt auf, dass es zwar Hinweise und Gerüchte um Freistühler gab. Allerdings hätte es keine oder zumindest keine eindeutigen Hinweise auf missbräuchliches Verhalten des Priesters in den Personalakten der Schulbehörden oder des Bistums Münster gegeben. Offenbar verhinderten lange Zeit die Position als Priester und Schuldirektor und vermutlich Scham, eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten oder das Bistum zu informieren.
Einen ersten konkreten Hinweis auf die Missbrauchsfälle gab es allerdings schon 1988. Damals soll ein Betroffener den damaligen Bischof von Münster, Reinhard Lettmann, in einem Brief über die mutmaßlichen Taten des Priesters informiert haben. Das schrieb das Bistum Münster in einer ersten Pressemitteilung, als der Fall im Mai öffentlich gemacht wurde. "Lettmann habe sich daraufhin nie bei ihm gemeldet", heißt es darin weiter.
Der Fall wurde neu aufgerollt, weil sich ein Betroffener Ende 2022 in der Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt Kleve eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie ausgeliehen hatte. Darin fand der Betroffene keinen Hinweis auf diesen Priester und meldete sich daraufhin beim Bistum. Das Bistum Münster war dann mit dem Fall auf Bitte dreier Betroffener an die Öffentlichkeit gegangen. Peter Frings, Interventionsbeauftragter des Bistums Münster, betont: "Wir müssen uns als Bistum dem Geschehenen stellen und gegenüber der Öffentlichkeit wie gegenüber den Pfarreien und Institutionen, in denen der Priester tätig war, für Transparenz sorgen."
Anlaufstelle für Betroffene oder Zeugen
Weitere Betroffene oder andere Menschen, die Angaben machen möchten, können sich direkt an die Interventionsstelle oder an die Ansprechpersonen bei Fällen sexuellen Missbrauchs wenden. Alle Kontaktdaten sind auf der Internetseite des Bistums zum sexuellen Missbrauch zu finden– dort ist auch das Dossier abrufbar.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 19.12.2023 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit aus Duisburg.