Schnell sind an diesem Dezembertag nur die Autos auf der Bundesstraße im oberbergischen Reichshof-Denklingen. Bauarbeiter, die Glasfaser-Kabel verlegen, werden die Reichshofer wohl absehbar nicht zu sehen bekommen. Etwa 4500 der rund 7000 Adressen in Reichshof werden in den kommenden Jahren wohl nicht ans schnelle Glasfaser-Internet angeschlossen.
Dabei sah hier in Reichshof lange alles gut aus. 50 Millionen Euro hätte der Glasfaser-Ausbau die Gemeinde gekostet. Die Hälfte davon, also 25 Millionen Euro, hatte der Bund bereits als Förderung zugesagt. Und auch vom Land hätte es Geld gegeben. Trotzdem sah die Gemeinde keinen anderen Weg, als den Ausbau zu stoppen.
Kein Geld für Glasfaser-Ausbau
Reichshofs Bürgermeister Gennies: Glasfaser-Ausbau gestoppt
"Diese Entscheidung muss leider fallen, weil sich die Haushaltssituation in der Gemeinde Reichshof dramatisch verschlechtert hat", sagt Bürgermeister Rüdiger Gennies (CDU). Den Eigenanteil von zehn Millionen Euro könne sich die Gemeinde schlichtweg nicht leisten.
Laut Gennies hätte diese Summe nur über eine kräftige Grundsteuer-Anhebung um ein Drittel oder über Kredite finanziert werden können. "Aus zehn Millionen werden dann mit Zinsen aber 15,7 Millionen Euro", so Gennies. "Das ist dem Bürger in dieser Größenordnung nicht vermittelbar."
Der Gemeinderat hat deshalb in der vergangenen Woche beschlossen, den 25 Millionen Euro schweren Förderbescheid wieder an den Bund zurückzugeben. Das schnelle Glasfaser-Internet scheint in den nächsten Jahren unerreichbar.
Problem könnte viele Kommunen betreffen
Reichshof werde wohl auch kein Einzelfall bleiben, sagt Horst-Heinrich Gerbrand, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW: "Wir gehen davon aus, dass in vielen anderen Kommunen eine vergleichbare Situation besteht. Die Kommunen haben eine desaströse Finanzlage und sind nicht mehr in der Lage, das zu kofinanzieren."
Dabei sollen bis 2030 alle Haushalte in ganz Deutschland flächendeckend mit Glasfaser versorgt sein. Auch die NRW-Landesregierung hat sich dieses Ziel in den Koalitionsvertrag geschrieben. Aktueller Anschlusstand in NRW: 37 Prozent.
Gerbrand hält diese Ausbauziele für "unrealistisch" und das sei für die Kommunen fatal: "Denn gerade das schnelle Internet ist ja ein Schlüsselfaktor für die Ansiedlung von Unternehmen und für Familien."
Der Städte- und Gemeindebund kritisiert, dass die Förderungen für den Glasfaser-Ausbau seit 2023 gekürzt worden sind. Das Wirtschaftsministerium in Düsseldorf sieht die Verantwortung für den Glasfaserausbau auf WDR-Anfrage vor allem bei den Netzbetreibern und den Kunden.
Schlechte Internetversorgung auf dem Land
Zum konkreten Fall heißt es: "Ob sich eine Kommune den Eigenanteil leisten kann, beurteilt die Gemeinde im eigenen Ermessen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung." Ein 20-prozentiger Eigenanteil sei bei der gemeindlichen Förderung grundsätzlich vorgesehen.
Auf der Straße äußern sich viele Reichshofer Bürgerinnen und Bürger enttäuscht über den Glasfaser-Stopp. Gerade in den dörflichen Ortsteilen sei die Versorgung schlecht.
Die Gemeinde führt derzeit zwar Gespräche, ob sich ein Unternehmen findet, das auf eigene Kosten baut. Doch die Hoffnung auf eine schnelle Lösung, sagt der Bürgermeister, sei gering. Für die Reichshofer werden sich die Glasfaser-Versprechen von Bund und Land wohl absehbar nicht erfüllen.
Unsere Quellen:
- Reporter vor Ort
- Stellungnahme der Verwaltung
- Gespräch mit dem Bürgermeister
- Gespräch mit dem Städte- und Gemeindebund NRW
- Anfrage an das Wirtschaftsministerium in Düsseldorf
- Glasfaser-Atlas NRW