So soll KI den Pflegenotstand beheben

Stand: 23.04.2024, 14:26 Uhr

In den deutschen Pflegeheimen fehlen Hunderttausende Arbeitskräfte. Damit ist eine angemessene Betreuung der Bewohner kaum möglich. Künstliche Intelligenz soll Abhilfe schaffen - aber wie funktioniert das?

Von Oliver Scheel

Nein, es ist nicht der Roboter, der sich um die Heimbewohner kümmert. Die Hoffnungen der Pflegebranche liegen vielmehr auf Apps und Künstlicher Intelligenz. Die sollen den Arbeitsalltag der Pflegekräfte erleichtern und ihnen damit mehr Zeit für die Pflegebedürftigen verschaffen.

Es geht um Entlastung in der Verwaltung

Bei der Pflege-Messe in Essen stehen innovative Ideen und technische Tools im Vordergrund. Es geht zum Beispiel darum, den Verwaltungsaufwand zu minimieren. So kann die KI Dienstpläne erstellen, die möglichst alle Wünsche der Pflegekräfte und der Pflegebedürftigen berücksichtigen. Wo ein menschlicher Planer an seine Grenzen stößt, soll Künstliche Intelligenz für mehr Zufriedenheit bei allen Beteiligten sorgen, erklärt Carolin Pauly, Geschäftsführerin des auf der Essener Messe vertretenen Instituts für Universal Design.

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Eine andere Firma bietet ein Gerät an, das Pflegekräften Papierkram abnimmt - etwa mit einer automatisierten Dokumentation von Wunden. Mit der Minimierung von verwaltungstechnischen Aufgaben könnten Apps und KI die Arbeit laut der Anbieter ungemein erleichtern und Zeitfenster schaffen, von denen die Heimbewohner durch bessere Betreuung profitierten.

Technische Hilfsmittel können aber auch dem Pflegepersonal helfen, gesund zu bleiben. Pflege ist oft auch schwere körperliche Arbeit, wenn die Bedürftigen umgebettet und umgezogen werden müssen. Hier können sogenannte Exoskelette helfen. Ein Exoskelett ist ein Angebot, das ihnen bei körperlich schweren Handgriffen helfen soll. Damit kann zum Beispiel Rückenerkrankungen vorgebeugt werden.

KI-Nutzung in der Pflege: "Macht richtig Spaß" WDR 5 Morgenecho - Interview 23.04.2024 04:20 Min. Verfügbar bis 23.04.2025 WDR 5

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Pflegekammer sieht das Potenzial - aber Menschen seien nicht ersetzbar

Die Pflegekammer NRW hält Künstliche Intelligenz, die "bei den Abläufen, Planungen und der Logistik von Pflege tatsächlich Arbeit einspart" für eine echte Entlastung. Sie werde bisher noch viel zu wenig eingesetzt. "So können sich beispielsweise sogenannte Konversations-Bots zur Simulation von menschlichen Gesprächen im Pflegealltag bewähren. Die KI springt ein, wenn ein ambulanter Pflegedienst bei einer pflegebedürftigen Person länger braucht, ruft beim nächsten Termin an und gibt die Verspätung in der Sprache des Pflegebedürftigen oder der Angehörigen durch", so Sandra Postel, Präsidentin der Pflegekammer NRW. "Was wir aber weniger brauchen, sind Empathie-Simulatoren, beispielsweise die „Pflegerobbe“, die sich um die Bewohner in den Pflegeeinrichtungen kümmern sollen. Menschliche Pflege ist nicht durch Roboter ersetzbar", so Postel.

Hilfsmittel auch in den eigenen vier Wänden nutzen

Pflegekräfte warnen vor Pflegekollaps | Bildquelle: Lars Faulenbach/WDR

Es gibt auch Hilfsmittel, die den Menschen helfen, länger zuhause leben zu können. Dazu bietet ein Anbieter auf der Messe in Essen einen Bilderrahmen, der mit einer Kamera den Pflegebedürftigen beobachtet und KI-gestützt Alarm schlägt, wenn er sich untypisch verhält. Eine andere Firma zeigt eine Weste mit eingebautem Airbag - wenn ein Mensch stürzt, bläst sie sich auf und schützt Kopf und Oberkörper. 

Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird stark steigen

Bis 2049 fehlen laut Statistischem Bundesamt zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte. Bis 2055 soll die Zahl der pflegebedürftigen Menschen allein durch die zunehmende Alterung um 37 Prozent steigen. Dann wären mehr als 6,7 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Derzeit sind es rund fünf Millionen. 

Die Pflegekammer NRW sieht neben der Einwanderung von Pflegefachpersonal aus dem Ausland in der Digitalisierung "die einzige Chance, mit der wir den Pflegenotstand noch abgewendet bekommen. Sie ist der Schlüssel zum Abbau unnötiger Bürokratieschleifen, den wir zwingend benötigen, wenn wir auch in Zukunft eine gute Pflege der Bewohner in den Langzeitpflegeeinrichtungen sicherstellen wollen."

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagenturen dpa, EPD
  • Gespräch des Autors mit Pflegekammer NRW