Pferde bei Fest-Umzügen: Ganz gelassen oder ganz gebrochen?

Stand: 18.07.2022, 18:09 Uhr

Nachdem ein Pferd bei einem Schützenfest-Umzug in Düsseldorf kollabiert ist, wird wie schon beim Karneval über den Einsatz der Tiere im Brauchtum diskutiert - auch über die "Gelassenheitsprüfung" bei Pferden.

Während die Düsseldorfer Schützen in diesem Jahr auf den Einsatz von Pferden verzichten wollen, ändert sich bei den Neusser Bürgerschützen nichts. Laut Vereinspräsident gehören Pferde traditionell zum Schützenfest.

Peta: Umzüge sorgen für Stress bei den Tieren

Das sieht Peter Höffken von der Tierschutzorganisation Peta anders. Nach Meinung des Fachreferenten sorgt vor allem die Tatsache, dass die Pferde gezwungen werden, an solchen Umzügen teilzunehmen, für Stress bei den Tieren. "Da sehen dann sogar Laien, dass die Pferde einfach nur weg wollen aus dieser Zwangssituation", so Höffken zum WDR. Schließlich seien Pferde Fluchttiere, die bei Umzügen und Paraden diese Option jedoch nicht hätten.

Neue Verordnung in NRW

Die Pferde, die in NRW bei Brauchtumsveranstaltungen zum Einsatz kommen, seien jedoch im besonderen Maße auf diese Paraden vorbereitet, sagte André Kolmann vom Pferdesportverband Rheinland e.V. am Montag dem WDR. Vieles sei bereits seit Jahren in Zusammenarbeit mit Karnevalsvereinen und anderen Brauchtumsvertretern erarbeitet worden. Seit Januar gilt in NRW zudem eine neue Leitlinie zum Einsatz von Pferden im Brauchtum.

Regelungen zu Pausen und Gewichtsobergrenzen

"Diese gilt nicht nur für Karnevalsumzüge, sondern natürlich auch für Schützenvereine oder andere Brauchtümer - egal wie groß der Umzug ist", so Kolmann. Darin steht zum Beispiel, dass immer ein Veterinär vor Ort sein muss, dass der Reiter keinen Alkohol trinken darf. Eine wesentliche Neuerung der Leitlinie sei zum Beispiel eine Gewichtsobergrenze für Reiter. Kolmann hat selbst bei der Formulierung der Leitlinie mitgearbeitet. Gemeinsam habe man sich im Umweltministerium auch auf eine Höchstdauer der Umzüge festgelegt, dass die Tiere alle vier Stunden eine Pause bräuchten.

Was bereits vorher die Regel gewesen sei und jetzt in der Leitlinie festgeschrieben wurde, ist die Voraussetzung einer bestandenen Gelassenheitsprüfung des Pferdes.

Peta: "Gelassenheitsprüfung bricht den Willen des Tieres"

Bei Gelassenheitsprüfungen würden die Pferde ständig beschallt, mit Gegenständen beworfen, so Tierschützer Höffken am Sonntag in der Aktuellen Stunde. Regenschirme würden aufgespannt, es herrsche ständig laute Musik. "Das ist nichts was man einem Tier zumuten möchte und auf diese Art und Weise werden sie desensibilisiert, werden gefügig gemacht."

"Aber im Prinzip wird ihr Wille gebrochen, ihr Fluchtinstinkt wird gegen die Natur der Tiere ausgeschaltet." Peter Höffken, Peta Deutschland e.V.

Ablauf einer Gelassenheitsprüfung

Das kann Andre Kolmann nicht nachvollziehen. Vor einer berittenen Gelassenheitsprüfung, die für die Teilnahme an Brauchtumsumzügen mit Reitern Pflicht ist, stehe immer eine geführte Gelassenheitsprüfung.

"Ein geführtes Pferd, das Sie am Halfter in die Prüfung führen - das wird nicht gebrochen." André Kolmann, Vorstand Pferdesportverband Rheinland e.V.

Erst wenn Pferd und Reiter in einer geführten Prüfung die Schulnote "befriedigend" erreicht hätten, könnten sie einen Pass für die gerittene Prüfung beantragen. Wenn diese wiederum mit einer 3 bestanden ist, darf der Reiter es für Umzüge einsetzen.

Pferde müssen Klapperkarren und Blaskapellen aushalten

Bei den Prüfungen besteht der Parcours aus sechs Pflichtaufgaben und vier Aufgaben, die variieren können. Zu den Pflichtaufgaben gehört zum Beispiel, das Aufsteigen von Luftballons hinter einer Hecke auszuhalten, ebenso Sprühflaschen, klappernde Karren und Regenschirme, die aufgespannt werden.

Andere Aufgaben würden inzwischen jeweils mit den ausführenden Vereinen vor Umzügen konkret abgesprochen. Die Bedingungen sollen dabei so realistisch wie möglich sein. Für den Karneval habe man bei der Gelassenheitsprüfung auch mal eine Trommel-Band oder eine ganze Blaskapelle eingesetzt.

Ähnliches Stresslevel wie beim Wettkampf

In einer skandinavischen Studie hat sich diese Desensibilisierung als besonders erfolgreich erwiesen. Was das Mitlaufen in einem Umzug für Pferde bedeutet, ist wissenschaftlich kaum erforscht. Eine Masterarbeit an der Uni Zürich hat 2017 festgestellt, dass die Pferde in einem Festumzug ähnliche Stresswerte hatten wie Pferde bei einem Spring- oder Dressurwettkampf. Doch die Werte seien akzeptabel, schlussfolgerten die Forscher. Es sei für die Tiere körperlich zumutbar, beim Umzug mitzulaufen.

Pferde – Geliebt und geschunden Planet Wissen 02.10.2019 58:07 Min. UT Verfügbar bis 02.10.2024 WDR

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