Nach langem Zögern hat die Bundesregierung sich entschlossen, Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern und dies auch anderen Ländern zu erlauben. Die Ukraine bittet seit Monaten um Kampfpanzer westlicher Bauart für den Kampf gegen die russischen Angreifer.
Laut Umfragen würde auch eine knappe Mehrheit der Deutschen diese Panzer gerne im Kriegsgebiet sehen, im ARD-Deutschlandtrend haben sich 46 Prozent für eine Lieferung ausgesprochen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bisher zurückhaltend zur Freigabe der Panzerlieferung geäußert. Der ehemalige ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hingegen spricht von einem "Gamechanger", der in die Geschichte eingehen werde.
Läuft Deutschland Gefahr, Kriegspartei zu werden?
"Der 'Rubikon der Eskalation', dass der Westen schweres Gerät liefert, der ist in der Vergangenheit mit weitreichenden Artilleriesystemen wie HIMARS, mit der Panzerhaubitze 2000, mit anderen Artilleriesystemen schon längst gefallen", so die Einschätzung des Militärexperten Gustav Gressel im WDR 5 Morgenecho. Das Zögern in Berlin habe seiner Ansicht nach eher innenpolitische Gründe gehabt, so Gressel.
Völkerrechtlich würde auch die Lieferung von Leopard-Panzern Deutschland nicht zur Kriegspartei machen. Und auch wenn die meisten Sicherheitsexperten es für sehr unwahrscheinlich halten, dass Russland eine direkte Auseinandersetzung mit der NATO riskieren würde - völlig ausgeschlossen ist eine Eskalation des Konflikts nicht. Es gibt keine von allen Seiten akzeptierte Definition, ab welchem Ausmaß der militärischen Hilfe ein Staat als "Kriegspartei" betrachtet wird. Diese Entscheidung liegt allein bei der russischen Regierung.
Offenbar teilen viele Bundeswehr-Soldaten diese Sorge. Nach Angaben des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ist die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in der Bundeswehr stark gestiegen. Im Jahr 2021 gab es demnach 201 Anträge, im Jahr 2022 schon 951.
Warum benötigt die Ukraine so dringend Kampfpanzer?
Die Lage an der Front ist seit Wochen festgefahren. Der Verlauf verschiebt sich trotz heftiger Kämpfe kaum noch. Panzer könnten der Ukraine helfen, feindliche Stellungen zu durchbrechen und weitere besetzte Gebiete zurückzugewinnen. Außerdem gibt es Befürchtungen, dass der russische Präsident Wladimir Putin seinerseits im Frühjahr eine Großoffensive starten könnte, der die Ukraine etwas entgegensetzen will.
Der Militärökonom Marcus Keupp ist davon überzeugt, dass westliche Kampfpanzer den Kriegsverlauf "massiv verändern" würden. "Die Ukraine würde dadurch auf ein anderes Technologie-Niveau gehoben, mit viel größerer Kampfkraft", sagte er dem WDR.
Leopard 2 gilt als den russischen Panzern überlegen
Ähnlich äußerte sich der NATO-Oberbefehlshaber in Europa, US-General Christopher Cavoli: "Ich denke, es ist klar, dass die moderne westliche Technologie die russische Technologie übertrifft", sagte er. Der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses Rob Bauer erklärte, die Panzer seien ein wichtiges Waffensystem, um die Russen zu bekämpfen und sie aus den besetzten Gebieten in der Ukraine zu vertreiben.
Militärexperten zufolge ist der Leopard 2 vielen russischen Panzern, die derzeit in der Ukraine eingesetzt werden, deutlich überlegen. Der Leopard 2 kann in voller Fahrt schießen und Ziele auf mehrere Kilometer Entfernung treffen - auch im Rückwärtsfahren. Die russischen Modelle wie etwa der T-90 könnten das nicht in dieser Geschwindigkeit, sagte der Militärhistoriker Ralf Raths der ARD. "Sie sind weniger flexibel auf dem Gefechtsfeld."
Kein "unverwundbarer Gamechanger": Größe der Lieferungen entscheidend
Allerdings weist Raths darauf hin, dass der Leopard 2 bislang nie in einem intensiven Gefecht gegen einen gleichwertigen Gegner eingesetzt wurde. Er sieht darin ein psychologisches Problem. Auch diese hochgelobten Fahrzeuge könnten vernichtet werden. "Das wird passieren", sagte Raths. "Wir sind noch nicht richtig dafür sensibilisiert worden, dass der Leopard kein unverwundbarer Gamechanger ist. Welchen Einfluss er haben wird, hängt von der Größe der Lieferungen ab."
Panzer vom Typ Leopard 1 der Bundeswehr bei einer militärischer Übung im Gelände. Die Aufnahme entstand 1999.
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Der ukrainische Oberkommandierende, Walerij Saluschnyj, sagte, die Ukraine brauche mindestens 300 zusätzliche Kampf- und Schützenpanzer.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte sich am Freitag in einer Video-Botschaft an die Kontaktgruppe in Ramstein gewandt. Er fordert die Staatengruppe zu weiteren Waffenlieferungen einschließlich Kampfpanzern auf. "Wir müssen schnell handeln", sagte Selenskyj. "Der Kreml muss verlieren."
Lieferung betrifft auch Einsatzbereitschaft der Bundeswehr
Der Verband der Bundeswehr hat am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin vor einer weiteren Konsequenz aus der Waffenlieferung gewarnt. Die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wird durch die erwartete Lieferung von Leopard-Kampfpanzern nach Ansicht des Vorsitzenden des Bundeswehrverbands, André Wüstner, weiter geschwächt. Die Lieferung sei "gut für die Ukraine einerseits, schlecht für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr andererseits".