Christoph Leiders ist Biobauer in Willich. Auf seinem kleinen Hof hält er 150 Rinder, 500 Schweine und Geflügel. Die regionale Produktion ist ihm ein wichtiges Anliegen. Seine Tiere hält er naturnah von der Geburt bis zur Schlachtung auf dem eigenen Hof. Der Tod sagt er, sei nie schön: "Aber wir wollen das so machen, dass das Tier respektvoll und möglichst tierschonend ins Jenseits befördert wird."
Die wenigen Schlachtungen bei ihm sollen möglichst stressfrei für die Tiere sein. "Wir nehmen uns die Zeit", erklärt Leiders. Das sei auch wichtig für die gute Qualität des Fleisches. Anders als in Großschlachtbetrieben wie etwa bei Tönnies würden die Tiere "nicht in riesigen LKW angekarrt", sondern einzeln in einer kleinen Transportbox wenige Meter über den Hof zur Schlachtstelle gebracht. Alles verläuft ruhig.
Wettbewerbsnachteil für kleine Höfe
Doch die eigene Schlachtung von Leiders ist in Gefahr, auch weil die Gebühren für die Amtsveterinäre immer höher werden. Die Veterinäre sind laut Gesetz verpflichtet, eine Fleischbeschau bei den Tieren vorzunehmen. Vor der Schlachtung müssen sie ihren Gesundheitszustand kontrollieren, danach die Qualität des Fleisches.
Die Gebühren dafür legt der jeweilige Kreis fest – sie sind überall in NRW unterschiedlich. In der Regel zahlen die kleinen Schlachtbetriebe aber viel höhere Gebühren als die Großschlachtereien. Die Unterschiede sind teilweise gewaltig.
Kreis Viersen hat Fleischbeschaugebühren stark erhöht
Jetzt bezahlt dort ein kleiner Hof, wie der von Biobauer Leiders, 17,50 Euro für die Fleischbeschau eines Schweins. Der größte Schlachtbetrieb im Kreis hingegen nur 2,15 Euro. Für ein Rind muss der kleine Hof 46 Euro berappen, der große nur 9,19 Euro.
Großschlachter wie Tönnies zahlen sogar unter zwei Euro für die Fleischbeschau eines Schweins. Den kleinen Höfen entsteht dadurch ein weiterer Wettbewerbsnachteil.
Kleine Schlachterei wehrt sich mit Onlinepetition
Christoph Leiders ärgert das. Er wehrt sich mit einer Onlinepetition und einer Unterschriftensammlung gegen die Gebührenerhöhung des Kreises: "Alle wollen mehr Regionalität, wollen die ländliche Schlachtung, wollen Tiertransporte vermeiden", sagt er, "aber leider hat es sich in den letzten Jahren dahingehend entwickelt, dass es den Kleinbetrieben immer schwerer gemacht wird und die großen Betriebe immer größer werden."
Der Kreis Viersen weist die Kritik auf Anfrage zurück. Es sei nicht zu beobachten, dass die ungleichen Gebühren jetzt dazu führten, dass die Schlachtungen in Großbetrieben oder die Tiertransporte weiter zugenommen hätten.
Immer weniger kleine Schlachtbetriebe in NRW
Allerdings zeigen Daten des Landesamtes für Natur- Umwelt- und Verbraucherschutz, dass die Zahl der kleinen Schlachtbetriebe in NRW deutlich abgenommen hat in den vergangenen Jahren. 2019 waren es noch 429 gewesen. 2022 nur noch 371. Bei den Großschlachthöfen hingegen kamen zwei neue hinzu.
Dabei zeigt Bayern, wie es anders gehen kann. Das Land hat Ende 2023 Jahres die Fleischbeschaugebühren bei Handwerksmetzgern und kleinen Schlachtbetrieben gedeckelt, auf 7 Euro pro Schwein und 14 Euro pro Rind. Das Geld, das den Kreisen und Kommunen dadurch entgeht, wird durch Landesgelder ausgeglichen. Bayern stellt dafür 5 Millionen Euro zur Verfügung. Für diese Regelung hat auch die EU grünes Licht gegeben.
NRW-Landesregierung sieht keinen Handlungsbedarf
In NRW hat der Kreis Heinsberg, der Nachbarkreis von Viersen, dieses Modell für die kleinen Schlachthöfe übernommen. Die SPD-Fraktion im NRW-Landtag sieht im Bayern-Modell eine Möglichkeit, die kleinen Schlachtbetriebe landesweit zu entlasten. In einem Antrag hat sie gefordert, die Gebühren zu harmonisieren. Doch CDU und Grüne wollen den Vorstoß nicht unterstützen. Die umweltpolitische Sprecherin der SPD, Julia Kahle-Hausmann, kritisiert: "Wir haben alle Fakten auf dem Tisch liegen, aber es passiert nichts."
NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) sieht allerdings keinen Handlungsbedarf. Schriftlich teilt ihr Ministerium auf Westpol-Anfrage mit: "Die Struktur der Schlachtbetriebe in Nordrhein-Westfalen ist nicht mit der in Bayern vergleichbar." Deshalb werde eine Übertragung des Modells auf NRW nicht erwogen.
Bio-Bauer Leiders denkt darüber nach, gegen die ungleichen Gebühren zu klagen. Dass die Politik regelmäßig betont, wie wichtig dezentrale Strukturen und Regionalität in der Fleischproduktion seien, hält er nur für "Lippenbekenntnisse".
Unsere Quellen:
- Kreis Viersen
- Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW
- SPD-Fraktion im NRW-Landtag
- eigene WDR-Recherchen bei Landwirten vor Ort