Cum-Ex-Skandal: Olaf Scholz und seine Gedächtnislücken

Stand: 19.08.2022, 16:25 Uhr

Am Freitag musste Bundeskanzler Olaf Scholz erneut vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss aussagen. Viel zu erwarten war dabei aber nicht - außer der Standardantwort: "Daran habe ich keine Erinnerung".

Wie gut sollte das Erinnerungsvermögen eines Spitzenpolitikers sein? Ist es zu viel verlangt, sich genauer an Gespräche zu erinnern, die sechs Jahre zurückliegen und in denen es um Beträge in Höhe von fast 50 Millionen Euro ging? Diese Fragen schwangen mit, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft aussagen musste.

Warum ließ sich die Stadt Hamburg 47 Millionen Euro entgehen?

Geklärt werden sollte dabei die Frage, wieso die Stadt Hamburg 2016 darauf verzichtete, von der privaten Warburg-Bank Erstattungen in Höhe von 47 Millionen Euro zurückzufordern, die die Bank unrechtmäßig erhalten hatte. Gab es Druck vom damaligen Ersten Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz auf die Finanzbehörden, die Forderungen verjähren zu lassen? Der Hamburger CDU-Obmann Richard Seelmaecker sieht dafür "deutliche Hinweise".

Bundeskanzler Scholz hingegen beteuerte mehrmals, es habe keine Beeinflussung durch die Politik gegeben. Viel weiter ins Detail ist er bislang aber nicht gegangen. Und das blieb auch am Freitag so: "Ich habe auf das Steuerverfahren Warburg keinen Einfluss genommen", sagte er bei seiner zweiten Zeugenvernehmung vor dem Ausschuss.

Scholz verschwieg weitere Kontakte mit Warburg-Banker

Besonders brisant wirken die Gespräche, die Scholz damals mit dem Warburg-Chef Christian Olearius führte. Dass sich die beiden mindestens dreimal trafen und telefonierten? Kam erst heraus, nachdem bei einer Razzia Tagebücher von Olearius gefunden worden waren; Scholz hatte davor lediglich einen Kontakt erwähnt. Was genau die beiden besprachen? Daran habe er keine "detaillierte Erinnerung", sagte Scholz bei seinem ersten Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss im April 2021. Dass kurz nach einem Telefonat der beiden die Hamburger Behörden auf ihre 47-Millionen-Forderung verzichteten? Er habe "ein reines Gewissen", gab Scholz knapp zu Protokoll.

Am Freitag bekräftigte der Kanzler, dass er sich nicht mehr genau an die Gespräch erinnere. Allerdings hätten die Untersuchungen des Ausschusses seither exakt das bestätigt, was er schon früher gesagt habe: "Es hat keinerlei politische Einflussnahme gegeben." Anderslautende Vorwürfe seien bei den Befragungen "durch nichts und niemanden gestützt" worden.

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Juristisch sieht die Cum-Ex-Affäre für Scholz derzeit unproblematisch aus. Es laufen zwar bundesweit mehrere Verfahren und Ermittlungen gegen diverse Banken, Finanzbeamte und Hamburger Politiker. Man sehe aber keine Hinweise auf eine mögliche Beihilfe Scholz' zur Steuerhinterziehung, teilte die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft am Dienstag mit.

Kohl, Schröder, Scholz: Wenn einen das Gedächtnis im Stich lässt

Politisch dürfte Scholz die Affäre durchaus noch länger beschäftigen. Da wäre zum einen der ominöse Bargeldfund in Höhe von 200.000 Euro in einem Schließfach seines ehemaligen Hamburger Parteifreundes Johannes Kahrs. Aber auch Fragen nach dem politischen Stil muss sich der Bundeskanzler gefallen lassen.

Denn die Taktik, sich in Untersuchungsausschüssen auf Gedächtnislücken zu berufen, ist nicht neu. Auch Helmut Kohl, Gerhard Schröder oder Andreas Scheuer konnten sich wenig bis gar nicht erinnern, wenn es um brisante Details aus der Vergangenheit ging. Dass Scholz nun ebenfalls mit schwarzen Löchern in seinem Gedächtnis kämpft, sei "vollkommen unglaubwürdig", so der CDU-Fraktionschef Friedrich Merz.

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