Während aus einigen Großstädten, etwa Köln und Düsseldorf, im Zeitraum von 2020 bis 2021 mehr Menschen weg- als zugezogen sind, verzeichneten den aktuellen gesammelten Meldedaten zufolge einige sehr ländliche Kreise durchaus deutliche Wanderungsgewinne.
Das trifft auf große Bereiche Ostwestfalens ebenso zu wie auf weite Teile des Sauerlands, viele Regionen im Münsterland sowie im Südwesten NRWs die Kreise Heinsberg, Düren und Euskirchen. Rund ein Jahrzehnt zuvor war das Bild ein ganz anderes: Im Zeitraum 2009 bis 2011 wanderten aus vielen der genannten ländlichen Regionen noch mehr Menschen ab als neu hinzuzogen - oft zugunsten des urbanen Raums. Ungewöhnlich hohe Gewinne erzielten in dieser Zeit etwa Münster in Westfalen sowie Bonn, Köln und Düsseldorf.
Wohnkosten und Digitalisierung als Ansporn
"Dieses Comeback der ländlichen Räume ist schon eine bemerkenswerte Entwicklung", unterstreicht Petra Klug, die bei der Bertelsmann-Stiftung an der Studie mitgewirkt hat. Als wesentliche Treiber benennen die Autoren die teure Wohnsituation in den Städten sowie die zunehmende Digitalisierung insbesondere in der Arbeitswelt.
Gleichzeitig und schon lange vor der Pandemie sei für die meisten Haushalte das erträumte Einfamilienhäuschen in Kernstädten nicht nur unerschwinglich, es fehle auch überhaupt an Angeboten, heißt es in der Studie. Gesucht werde dann im weiteren Radius. Was vor fünf Jahren zunächst rund um die Städte bemerkbar wurde, habe sich inzwischen kaskadenartig aus dem näheren ins weitere Umland verlagert.
Auch habe die Corona-Pandemie den Trend zugunsten ländlicher Räume weiter verstärkt: Homeoffice-Möglichkeiten traten stärker in den Vordergrund als je zuvor. Zudem legen Ergebnisse von Experteninterviews nahe, dass unter dem Eindruck der Lockdowns in der Pandemie der Wunsch nach größeren Wohnungen mit Garten oder Balkon bei vielen stärker in den Fokus rückte.
Rück- und Lebensstilwanderungen
Den Untersuchungen zufolge spielen sogenannte Rückwanderungen eine große Rolle für die Entwicklung: Nachdem Menschen ihre Heimat auf dem Land für Ausbildung und Studium verließen, kehrten sie in anderen Lebensphasen dorthin zurück - etwa wenn junge Familien erschwinglichen Wohnraum in einem grünen Umfeld suchten. "Großeltern zieht es immer häufiger dorthin zurück, wo die Kinder wohnen, oder man möchte dort sesshaft sein, wo man früher gerne Urlaub gemacht hat", so Klug.
Die Soziologen beobachteten zudem sogenannte Lebensstilwanderungen, erklärt Klug. "Da stellen sich Menschen ganz intensiv die Frage, wie sie eigentlich leben wollen. Vielleicht ist es ihnen in der Stadt zu eng, zu anonym. Es zieht sie dorthin, wo sie anderen Gestaltungsspielraum sehen. Und offenbar wird in diesem Sinne das Land wieder attraktiver für viele", so Klug. Das sei eine große Chance für viele kleine Kommunen, die lange von Abwanderung betroffen waren, sich und die eigene Infrastruktur wiederzubeleben. "Und es ist eine Aufgabe", fügt sie hinzu. Kitas, Schulen, Freizeitmöglichkeiten, attraktive Jobs, Gesundheitsversorgung - "Man muss genau hinsehen, was vor Ort gebraucht wird."
Ländliche Regionen werben um Fachkräfte
Um Menschen, die sich für ein Leben auf dem Land entscheiden, kümmern sich in einigen ländlichen Regionen auch Rückkehrinitiativen wie das Netzwerk "Heimvorteil HSK", ein Projekt der dortigen Wirtschaftsförderungsgesellschaft und der Südwestfalen Agentur. "Dabei geht es darum, Fachkräfte für die hier ansässigen Unternehmen zu gewinnen. Wir werben für die Region und helfen, dann hier wieder anzukommen", erklärt Projektleiterin Karin Gottfried. Sie erlebt, dass es insbesondere viele Familien sind, die sich bewusst für das Landleben entscheiden.
Verwunderlich sei das nicht: "Selbst die Speckgürtel sind sehr teuer geworden", sagt sie. "Omas altes Häuschen oder ein Leben in der Nähe der Großeltern ist dann für viele junge Familien eine echte Option", so Gottfried.
Unsere Quelle:
- dpa
- Bertelsmann Stiftung