Wahlsieg vom Rechtspopulisten Wilders: Was sagen die Menschen in seiner Heimat Venlo?
Aktuelle Stunde. 23.11.2023. Verfügbar bis 23.11.2025. WDR. Von Henry Bischoff.
Niederlande-Wahl: Was hinter dem Rechtsruck steckt
Stand: 23.11.2023, 19:49 Uhr
Überraschend klarer Wahlsieg des Rechtspopulisten Geert Wilders: Was passiert gerade in den Niederlanden? Erklärungen und Reaktionen auf den Rechtsruck im Nachbarland.
Triumph bei den Parlamentswahlen: Die "Partei für die Freiheit" (PVV) von Geert Wilders wurde am Mittwoch stärkste Kraft in den Niederlanden. Nun will der Rechtspopulist umgehend die Möglichkeiten für eine Regierungsbildung ausloten. Er kündigte an, sofort mit der Suche nach Koalitionspartnern zu beginnen.
Doch die Regierungsbildung dürfte nicht einfach werden. Am ehesten gibt es wohl Gemeinsamkeiten mit anderen konservativen Gruppierungen. Im Wahlkampf wurden zwar noch Zweifel und Ablehnung gegenüber einer Zusammenarbeit geäußert, doch am Wahlabend klang das nicht mehr so eindeutig. Wilders sei jetzt am Zug, sagte zum Beispiel Dilan Yesilgöz, Spitzenkandidatin der bisherigen Regierungspartei VVD.
Geduld ist also gefragt: Die letzten Koalitionsverhandlungen nach der Wahl vor zwei Jahren zogen sich rund 300 Tage hin.
Geteiltes Echo auf Wahlsieg von Wilders
Die Reaktionen auf Wilders Wahlsieg sind geteilt. Nicht nur Flüchtlingsorganisationen und muslimische Verbände reagierten entsetzt. Rechtspopulisten in Europa bejubelten hingegen Wilders' Ergebnis. "Herzlichen Glückwunsch zu diesem großen Erfolg. Ganz Europa will die politische Wende!", schrieb AfD-Chefin Alice Weidel im Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter. Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und die französische Rechtsnationalistin Marine Le Pen gratulierten Wilders.
AfD-Landesvorsitzender Martin Vincentz
Auch Martin Vincentz, Vorsitzender der NRW-AfD ist begeistert: "Der erdrutschartige Sieg der PVV und Geert Wilders ist ein starkes und gutes Signal für die Niederlande und Europa." Auch die Niederländer hätten "die Nase voll von woker Ideologie" und "ungeregelter, illegaler Massenmigration", sagte Vincentz am Donnerstag dem WDR. "Dies bestärkt auch uns in NRW und Deutschland, dass die AfD die richtigen Themen setzt."
"Natürlicher Verbündeter" der NRW-AfD
Für Christoph Ullrich, der für den WDR seit Jahren die AfD beobachtet, ist die Begeisterung der Landespartei wenig überraschend: "Wilders galt lange als natürlicher Verbündeter, vor allem wegen der inhaltlichen Überschneidungen." Vor sechs Jahren hätten sich auch Spitzen der NRW-AfD gerne mit dem aus dem Grenzgebiet stammenden Wilders ablichten lassen.
WDR-Reporter Christoph Ullrich
"In den vergangenen Jahren ging man allerdings auf etwas Distanz, weil Wilders sehr radikale Töne anschlug, welche die NRW-AfD aus strategischen Gründen meiden will", sagte Ullrich, WDR-Reporter für Landespolitik. Wie das Verhältnis sich jetzt entwickele, sei offen: "Der niederländische Politiker schlägt inzwischen vom Sound her ebenfalls mildere Töne an."
Welche Themen zogen im Wahlkampf?
Punkten konnte Wilders im zurückliegenden Wahlkampf offenbar mit einer Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen. Dazu gehört nicht nur die Aussage "Der Islam gehört nicht zu den Niederlanden", sondern auch die Forderungen "Mehr Personal in der Pflege" und "Niedrigere Mieten und Steuern".
Der EU-Kritiker und Islam-Gegner Wilders, der den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban als ein Vorbild bezeichnet hat, hat im Wahlkampf angekündigt, jegliche Einwanderung zu stoppen, die niederländischen Zahlungen an die Europäische Union zu kürzen und den Beitritt neuer Mitglieder wie etwa der Ukraine zu verhindern. Zudem lehnt er weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ab.
Wer hat Wilders gewählt?
Umfragen haben mehrfach ergeben, dass Wilders-Wähler ihre Zukunft tendenziell pessimistisch einschätzen und Angst vor Veränderungen haben. Sie wohnen häufig in stagnierenden Industriegebieten oder auf dem Land, wo die Jungen wegziehen.
Offenbar um seine Wähler nicht zu verschrecken, hatte Wilders im Wahlkampf auf schrille Töne verzichtet. In den niederländischen Medien wurde er deshalb als "Geert Milders" betitelt. Doch in der Sache blieb er auch nach der Wahl hart: Er kündigte an, "dem Tsunami von Asyl und Einwanderung" ein Ende zu machen. Er wolle aber keine Maßnahmen ergreifen, "die verfassungswidrig sind".
Wer ist Geert Wilders?
Geboren wurde Geert Wilders 1963 direkt hinter der Grenze zu NRW: im niederländischen Venlo. Deshalb spricht er auch perfekt deutsch. Der begabte Rhetoriker stieg Ende der 1980er-Jahre bei den Liberal-Konservativen in die Politik ein. Deren Partei, die VVD, hat er längst verlassen und mischt seither die Niederlande auf.
Seine Attacken gegen Migranten, Europa oder andere Abgeordnete lösen regelmäßig Empörung aus. Zum Beispiel als er die Zweite Kammer als "Nep-Parlament" beschimpfte - ein Fake-Parlament. Oder als er eine Steuer für Muslimas forderte, die ein Kopftuch tragen - eine "Kopflumpen-Steuer".
Vor gut 25 Jahren kam der 60-Jährige ins Parlament. Nach dem Bruch mit der VVD gründete er seine eigene Partei: die PVV.
Pekelder: Linke wird verantwortlich gemacht
Jacco Pekelder, Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien an der Universität Münster, ist erstaunt über den Ausgang der Wahlen. Lange sei Wilders bei den Umfragen auf Platz vier gewesen, sagte er dem WDR am Donnerstag. Das habe sich erst am Ende geändert.
Das Wahlverhalten seiner Landsleute erklärt Professor Pekelder zum einen als Reaktion auf die Querelen innerhalb der Regierung von Mark Rutte. Zum anderen verweist der Historiker auf Skandale der letzten 15 Jahre, die nach seiner Ansicht zu einem Vertrauensverlust in die Politik und dem Staat geführt haben.
Ein Faktor sei auch ein Narrativ gewesen, das sich in den vergangenen 20 Jahren aufgebaut habe: Viele Niederländer seien der Ansicht, für viele der Missstände sei die Linke - insbesondere die Sozialdemokraten - verantwortlich.
Unsere Quellen:
- WDR-Landespolitik
- WDR5-Mittagsecho
- dpa
- ZDF
- Munzinger