NRW wird grün: So früh wie selten Aktuelle Stunde 26.02.2024 UT Verfügbar bis 26.02.2026 WDR Von Anke Kutz

Ungewöhnlich früh: Die Natur in NRW wird grün

Stand: 26.02.2024, 09:20 Uhr

In NRW treiben die Bäume und Sträucher aus - so früh wie selten. Das liegt daran, dass ein bestimmter Temperaturwert an vielen Orten schon überschritten wurde - deutlich früher als sonst.

Von Sabine Schmitt und Ingo Neumayer

Blätter sprießen an Bäumen und Sträuchern. Der Ginster bekommt gelbe Blüten. Sogar Kirschbäume blühen schon. Das warme Wetter bringt die Natur aus dem Rhythmus. "Der Vegetationsbeginn in NRW ist so früh wie selten", sagt Meteorologe Jürgen Vogt aus der WDR-Wetterredaktion.

Der Grund sind die warmen Temperaturen - beziehungsweise der Klimawandel: Der Februar 2024 in NRW liege sechs Grad über dem langjährigem Mittel. Das sei so warm wie der zweitwärmste März seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen, sagt Vogt.

In der Forschung gibt es eine Faustregel für den Vegetationsbeginn - und zwar die "Grünland-Temperatur-Summe" (GTS). Der offizielle Vegetationsbeginn ist, wenn die Summe von 200 Grad erreicht ist - dafür addiert man ab dem 1. Januar Tag für Tag die Mitteltemperatur (alle Stundenwerte geteilt durch 24), die über dem Gefrierpunkt liegen.

Köln-Stammheim knackt den Wert zuerst

Köln-Stammheim hat diesen Wert als erster Ort in NRW am 19. Februar geknackt, Mönchengladbach, Düsseldorf und Duisburg am 20. Februar, Essen und Kleve am 22. Februar, Bielefeld-Deppendorf und Ennigerloh-Ostenfelde am 24. Februar. Viele andere Orte ziehen gerade nach. Heute und morgen erreichen laut WDR Wetterredaktion Teile Ostwestfalens und des Münsterlandes den Wert. In Südwestfalen, im Sauerland, im Bergischen Land und in Siegen-Wittgenstein dauert es noch ein paar Tage.

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Vegetationsbeginn zu früh im Jahr erreicht

Vor etwa 100 Jahren lag der Vegetationsbeginn meist zwischen Ende März und Anfang April. Der Klimawandel macht sich aber nicht nur daran bemerkbar, dass Bäume und Sträucher früher austreiben. Sie verlieren ihre Blätter auch tendenziell immer später - weil die Winter später starten. Die Vegetationsphasen werden so immer länger.

Die Grünlandtemperaturkurve für Köln-Stammheim | Bildquelle: ARD/ WDR

Vegetationsbeginn bedeutet für Pflanzen: Sie nehmen wieder Stickstoff auf und verarbeiten ihn. Diese Tatsache ist vor allem für die Landwirte wichtig, weil sie aussagt, ab wann im Jahr es Sinn macht, Dünger auf die Felder zu geben.

Angst um die Apfelernte

Wenn Pflanzen zu früh "aufwachen" und austreiben, kann das zu Problemen führen. Derzeit blühen schon Haselsträucher und Erlen und verteilen dabei auch ihre Pollen - zum Leidwesen für alle, die darauf allergisch reagieren.

Später Frost = weniger Äpfel | Bildquelle: imageBROKER / newspixx vario images

Und auch die Obstbauern sind nicht begeistert vom verfrühten Frühling, der die Bäume zum Austreiben animiert. Wie etwa Tim Nies, der im rheinischen Leichlingen auf sechs Hektar Fläche Äpfel, Birnen und Zwetschgen anbaut. Die Knospen und Blüten der Obstbäume sind empfindlich und sollen möglichst wenig Frost abbekommen. Denn auch wenn es jetzt schon sehr frühlingshaft wirkt: Die Chance, dass es im April oder sogar Anfang Mai nachts noch einmal richtig kalt wird, ist auf jeden Fall vorhanden.

"Eine Knospe hält Temperaturen von etwa minus einem Grad aus", so Nies zum WDR. Wenn die Temperaturen tiefer sinken oder es über einen längeren Zeitraum Frost gibt, sterben die Knospen und Blüten ab und können keine Früchte ausbilden. Schon 2023 habe es auf seinen Feldern wegen des frühen Frühlings Frostschäden und somit eine geringere Ernte als im Jahr zuvor gegeben. Die einzelnen Knospen trieben zwar zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus, sodass nicht alle gleichzeitig von einem möglichen Temperatursturz gefährdet seien.

Dennoch gilt: "Je früher die Knospe kommt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Frost abkriegt", sagt Nies. "Aber wer weiß? Vielleicht geht ja auch alles gut. Ändern lässt sich daran ohnehin nichts." Für die Obstbauern heißt es also: Hoffen und mit bangem Blick aufs Thermometer schauen.

Auch die Igel erwachen zu früh aus dem Winterschlaf

Igel brauchen zusätzliches Futter | Bildquelle: ddp

Zu früh dran ist dieses Jahr übrigens nicht nur die Vegetation. Auch Tiere kommen offenbar durch die Temperaturen durcheinander. Störche sind schon aus dem Süden zurück. Das Magazin Öko-Test berichtet: "Wenn die Temperaturen im Februar ungewöhnlich warm sind - so wie jetzt -, bekommen Igel den Eindruck, der Winter sei schon vorüber." Die milde Witterung lasse die Tiere aus dem Winterschlaf aufwachen und auf der Suche nach Futter durch unsere Gärten ziehen.

Das sei für die Igel nicht ganz ungefährlich. Es bestehe die Gefahr, dass er seine Fettreserve vorzeitig aufbraucht und den Winter nicht überlebt. Deshalb sei es wichtig, dass Menschen bei warmem Winter umherlaufenden Igeln Futter anbieten - etwa Katzenfutter aus der Dose oder durchgegartes Hackfleisch. Auch der Naturschutzbund NRW (NABU) rät dazu, zusätzliches Futter bereitzustellen, sollte man derzeit einen Igel in seinem Garten sehen.

Hinweis: In einer früheren Version des Beitrags hatten wir geschrieben, der Vegetationsbeginn sei 2024 so früh wie nie zuvor. Tatsächlich aber war der Vegetationsbeginn in Köln 2007 schon einen Tag zuvor - am 18. Februar.

Unsere Quellen:

  • WDR Wetterredaktion
  • Wetter vor Acht mit Karsten Schwanke (ARD)
  • Öko-Test
  • NABU NRW
  • Obstbauer Tim Nies