Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sind die Spitzenpolitiker am Montag in Berlin. In der Hauptstadt wurden Wahlgewinner Hendrik Wüst (CDU) und Mona Neubaur (Grüne) in ihren Parteizentralen bejubelt. Für die Verlierer Joachim Stamp (FDP) und Thomas Kutschaty (SPD) gab es ein paar tröstende Worte von den Parteifreunden. Nun beginnt die Arbeit in NRW - denn nach der Abwahl von Schwarz-Gelb muss eine neue Koalition gebildet werden.
Wüst schließt große Koalition nicht aus
Als wahrscheinlichste Koalitionsoption gilt nach dem Rekordergebnis der Grünen und den Zugewinnen der CDU Schwarz-Grün. Ministerpräsident Wüst hatte am Wahlabend gesagt, dass seine Partei eine neue Regierung führen wolle. Am Montag gab er in Berlin ein "modernes Zukunftsbündnis" als Ziel aus. Reden will Wüst "in den nächsten Tagen" mit allen demokratischen Parteien - also mit allen außer der AfD. Eine große Koalition schloss er auf Nachfrage nicht kategorisch aus.
Grünen wollen hart verhandeln
Traditionell wird Wüst als Vertreter der stärksten Partei zu Sondierungen einladen. Im Gesprächskontakt sind die Spitzenpolitiker bereits. Wann wer mit wem bei einem offiziellen Treffen redet, ist noch offen. Ein Sprecher der Landes-CDU sagte auf WDR-Anfrage, der Landesvorstand werde am Abend über Gespräche beraten.
Grünen-Landeschefin Mona Neubaur machte am Montagmorgen im WDR deutlich, dass ihre Partei kein leichter Verhandlungspartner sein wird - vor allem beim Thema Klimaschutz: "Die Menschen, die Unternehmen, die Wirtschaft sind fünf Schritte weiter als die aktuelle Landesregierung. Und dafür werden wir hart verhandeln, dass es da die richtigen Entscheidungen gibt, in einer nächsten Regierung endlich auf der Höhe der Zeit zu sein."
Grüne Jugend: CDU keine verlässliche Partnerin
In Berlin betonte Neubaur die "volle Bereitschaft" zur Übernahme von Verantwortung. Sie gratulierte der CDU, deutete aber erneut keine Präferenz für Schwarz-Grün an. Man sei auch bereit zu Gesprächen mit Sozial- und Freidemokraten, sagte Neubaur. Es gebe "keine Automatismen und keine Ausschlüsse". Am Montagabend berät der Grünen-Landesvorstand über das weitere Vorgehen. Die Grüne Jugend NRW teilte mit, man würde sich mit Schwarz-Grün "sehr schwer tun". Die CDU könne "keine verlässliche Partnerin" zur Bekämpfung der Klimakrise sein.
Es gibt mehrere Optionen
Neben Schwarz-Grün ist aber auch eine Ampel denkbar - oder eine große Koalition. Der SPD-Spitzenkandidat bei der NRW-Landtagswahl, Thomas Kutschaty, hält sich trotz deutlicher Verluste seiner Partei weiterhin eine Regierungsbeteiligung offen. "Wir jedenfalls stehen auch bereit für Gespräche", sagte Kutschaty im Morgeninterview.
FDP-Landeschef Joachim Stamp zeigt nach der herben Schlappe seiner Partei indes weiter kaum Interesse an einer Ampel. Zugleich äußerte er sich am Morgen im WDR nicht besonders positiv über den Noch-Koalitionspartner: "Es wird jetzt Schwarz-Grün geben, die CDU wird im Zweifel für die Zusammenarbeit mit den Grünen ihre Inhalte gegebenenfalls auch preisgeben, sich da sehr weit entgegenkommend zeigen gegenüber den Grünen."
Kutschaty signalisiert weiter Gesprächsbereitschaft
Natürlich seien "alle Parteien längst initiativ. Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten unterhalten sich selbstverständlich, auch heute Morgen schon", sagte SPD-Landeschef Kutschaty im WDR. Allerdings gehöre es zu den demokratischen Gepflogenheiten, dass die CDU als stärkste Partei nun erstmal mit den Grünen spreche. Bei einer Pressekonferenz mit Parteichef Lars Klingbeil in Berlin sagte Kutschaty, die Christdemokraten hätten das "Vortrittsrecht". Zugleich hielt er an einem Gesprächsangebot an Grüne und FDP fest. Auch mit der CDU will er reden.
Einen Rücktritt lehnte Kutschaty auf Nachfrage ab. Am Abend kommt auch der SPD-Landesvorstand in Düsseldorf zusammen, um über das enttäuschende Wahlergebnis zu beraten.
Neue Regierung erst im Sommer?
Es könnte jetzt aber etwas dauern in NRW. Das wäre kein Novum: Als Schwarz-Gelb im Mai 2010 abgewählt wurde, stand eine neue Koalition - damals eine rot-grüne Minderheitsregierung - erst Mitte Juli. Auch jetzt sind voraussichtlich komplizierte Sondierungsgespräche nötig. Danach würden Koalitionsverhandlungen folgen. Schwarz-Grün ist der Favorit - aber ein Selbstläufer wird das nicht, zumal es eine Premiere in NRW wäre. CDU und Grüne liegen beispielsweise in der Innenpolitik weit auseinander.
Am 1. Juni soll der neue Landtag konstituiert werden. Solange es keine neue Koalition gibt, bleibt die bisherige Landesregierung geschäftsführend im Amt.
Mit Blick auf die anstehenden Gespräche mit den Grünen sagte Innenminister Herbert Reul (CDU), es gehe darum, "klug und sachgerecht und pragmatisch" miteinander zu reden. "Regieren um jeden Preis gibt es nicht." Es seien rechnerisch auch andere Bündnisse denkbar.
Geschafft: Die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Markus Wagner hat laut vorläufigem Endergebnis mit 5,4 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag geschafft - und das, obwohl die Bundespartei ein Bild der Zerstrittenheit bietet.
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Der WDR berichtet am Montag in zahlreichen Sendungen in Hörfunk und Fernsehen über die Ergebnisse und Folgen der Landtagswahl in NRW. So in allen Ausgaben von WDR aktuell im WDR Fernsehen um 12.45 Uhr, 16.00 Uhr, 18.00 Uhr und 21.45 Uhr. Außerdem in der "Aktuellen Stunde" um 18.45 Uhr. Um 20.15 Uhr wird ein WDR extra ausgestrahlt. Im Hörfunk thematisiert unter anderem WDR 5 die Landtagswahl im Tagesgespräch um 12.10 Uhr, in einem WDR 5 spezial um 13 Uhr, im Westblick um 17.04 Uhr sowie im Echo des Tages um 18.30 Uhr.