Schwarz-Gelb, 2017 noch als "NRW-Koalition" voller Elan gestartet, ist Geschichte in Nordrhein-Westfalen. Die Wählerinnen und Wähler im bevölkerungsreichsten Bundesland haben die ohnehin minimale Mehrheit dieser Regierung bei der Landtagswahl einkassiert. Ministerpräsident Hendrik Wüst von der gestärkten CDU bedankte sich am Wahlabend mit knappen Worten beim abgestraften Noch-Koalitionspartner FDP für die gute Zusammenarbeit - das war's. Nächstes Kapitel.
Wechsel-dich-Spiel in der Landesregierung
Damit ist in den letzten 20 Jahren nur ein einziges Mal eine Regierungskoalition in NRW wiedergewählt worden: Zuletzt gelang es 2012 der 2010 gestarteten rot-grünen Regierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), vom Wahlvolk bestätigt zu werden. 2005 ging Rot-Grün unter, 2010 erlitt Schwarz-Gelb eine schwere Schlappe - und 2017 straften die Wählerinnen und Wähler dann erneut Rot-Grün ab.
FDP verbittert und geschlagen
Bei dieser Landtagswahl traf der Zorn der Wahlberechtigten mit voller Härte die FDP. Von 12,6 Prozent brachen die Liberalen ein auf 5,9 Prozent, so das vorläufige Endergebnis. Zwischenzeitlich musste die FDP sogar fürchten, wie in den 1990er-Jahren aus dem Landtag zu fliegen. Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp, der laut Umfragen alles andere als ein populärer Spitzenkandidat war, zeigte sich in Interviews am Wahlabend teils etwas verbittert über die CDU: "Man muss feststellen, dass unser Koalitionspartner nicht besonders viel Rücksicht genommen hat im Wahlkampf."
Die CDU habe sich "teilweise mit Federn unserer Erfolge geschmückt" - als Beispiele nannte er die "Entfesselungspolitik" von Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sowie die Talentschulen in NRW. Zugleich räumte Stamp Fehler in FDP-Ministerien beim Management der Corona-Pandemie ein. Vor allem das bislang von den Liberalen geführte Schulministerium avanciert so langsam zum Seuchenressort der Landesregierung: 2017 wurde es bereits den Grünen zum "Verhängnis".
SPD mit einer schweren Niederlage
Der zweite große Verlierer des Abends neben den Liberalen sind die Sozialdemokraten. Spitzenkandidat Thomas Kutschaty fuhr das schlechteste SPD-Landtagswahlergebnis in der Geschichte des Landes NRW ein. Bei vier der letzten fünf NRW-Landtagswahlen wurden die Genossen damit nur zweite Kraft hinter der CDU: 2005, 2010, 2017 und 2022. Nur 2012 lag die SPD klar vorn. Zwar schnitt die SPD am Sonntag mit gut 26,7 Prozent etwas besser ab als bei den Kommunalwahlen 2020 (24,3 Prozent), aber deutlich schwächer als bei der Bundestagswahl (29,1 Prozent).
Kutschaty verhielt sich gerade in den TV-Debatten mit Wüst auffallend zurückhaltend. Auch wenn es in Kriegs- und Krisenzeiten wohl kaum passend gewesen wäre, den Amtsinhaber mit scharfer Rhetorik frontal anzugehen, war die "nette" Art offenbar die falsche Strategie. Da hilft dem Ex-Justizminister auch kaum der Hinweis, dass die SPD ja besser dastehe als noch vor ein, zwei Jahren. Kutschaty selbst räumte ein, die SPD-Wähler nicht ausreichend mobilisiert zu haben - da nützten auch Plakate und Auftritte zusammen mit Kanzler Olaf Scholz nichts.
Schwaches Ampel-Flackern
Dass die beiden Wahlverlierer SPD und FDP irgendwie doch regieren können, erscheint unwahrscheinlich. Rechnerisch gibt es laut Hochrechnungen eine Mehrheit für eine Ampel im neuen Landtag. Doch FDP-Landeschef Stamp winkt ab: Es seien andere am Zug, die Regierung zu bilden. Ausschließen dürfe man Gespräche unter demokratischen Parteien allerdings nicht, um eine "Regierungsunfähigkeit" zu vermeiden. Es gebe mit CDU und Grünen zwei klare Wahlgewinner.
SPD-Landeschef Kutschaty ist weiter für Gespräche zwischen allen demokratischen Parteien, aber angesichts der SPD-Verluste formuliert er keinen Anspruch mehr auf die Regierungsbildung. Kurz nach 18 Uhr hatte das bei ihm und anderen Genossen noch forscher geklungen.
Erstmals Schwarz-Grün in NRW?
Das Heft des Handels in der Landespolitik liegt nun bei CDU und Grünen. Laschet-Nachfolger Wüst ist es gelungen, bürgerliche Wähler (teils auf Kosten der FDP) zu mobilisieren - besonders bei den Älteren kam er gut an. Und Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur, laut Umfragen als Person eher unbekannt, hat es geschafft, die Popularität ihrer Partei mit einer positiven und sachorientierten Wahlkampagne in NRW gewinnbringend einzusetzen.
Ob es aber tatsächlich zu einer stabilen politischen Partnerschaft zwischen der CDU eines Herbert Reul oder Bodo Löttgen und dem zumindest traditionell eher linken Landesverband der Grünen kommt, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.
Was kommt nach Schwarz-Gelb? Nach dem Absturz der FDP bei der Landtagswahl scheinen die Zeichen in NRW auf Schwarz-Grün zu stehen. Beide Parteien hätten zusammen eine stabile Mehrheit im Landtag - und offenbar auch die Unterstützung ihrer Wähler. 51 Prozent der CDU-Wähler und 47 Prozent der Grünen-Wähler fänden eine gemeinsame Koalition gut. Vor einer Woche in Schleswig-Holstein war die Zustimmung der Grünen noch größer.
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