Wie genau es passiert ist, ist schwer zu rekonstruieren. Aber irgendwie hat es das Wort „Rohstoff-Abgabe“ in den Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in NRW geschafft. Eine Rohstoff-Abgabe auf Kies und Sand werde „spätestens zum 1. Januar 2024“ eingeführt, steht da auf Seite 45. Die Grünen sind von jeher dafür, den ungeliebten Abbau mit einem staatlichen Preisaufschlag unattraktiver zu machen. Doch innerhalb der CDU wächst der Widerstand gegen die Sonderlast für einen wichtigen Industriezweig in NRW.
Angela Erwin, CDU, Landesvorsitzende MIT
„Eine Sonderabgabe lehnen wir ab“, sagt die CDU-Landtagsabgeordnete Angela Erwin gegenüber dem WDR. Erwin ist die Landesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion von NRW (MIT) – einer mächtigen Parteigliederung innerhalb der CDU.
Wichtige Baustoffe werden teurer
Vor allem aus zwei Gründen wenden sich die Wirtschaftsvertreter innerhalb der Union gegen die Rohstoffabgabe. Gegenargument Nummer 1: Der Preisaufschlag mache ohnehin teure Bau-Produkte noch teurer, die zudem dringend gebraucht werden - zum Bau neuer Wohnungen, Straßen und Brücken und auch von Wind- und Solar-Kraftwerken.
Gegenargument Nummer 2: Wenn der Sand- und Kiesabbau in NRW unattraktiv werde, müssten die Rohstoffe aus weiter entfernten Regionen importiert werden, was die Umwelt noch mehr belaste.
Widerstand gegen Koalitionsplan wächst
Auch Unternehmerverbände und Gewerkschaften betreiben mittlerweile „hartes Lobbying“ gegen die Sand und Kies-Abgabe, wie auf den Parlamentsfluren in Düsseldorf zu hören ist. In der Landespressekonferenz formierte sich heute in Düsseldorf ein breites Bündnis. „Gerade den investitionsbedürftigen Wohnungsbau jetzt noch durch eine zusätzliche Rohstoff-Abgabe zu verteuern, wäre aus unserer Sicht schierer Wahnsinn“, sagt Holger Vermeer, Regionalleiter Nordwest der Industriegewerkschaft Bau.
Christian Strunk vom Baustoff-Unternehmerverband „vero“ sieht ganze Industriebranchen in NRW in Gefahr. Seine Liste der von Kies und Sand abhängigen Produkte will kein Ende nehmen: Häuser, Straßen, Brücken, Glas, Wasserfilter sowie Fundamente und Naben für Windräder, zählt er auf. Mit dem Kies und Sandabbau könnten auch Hersteller dieser Produkte aus NRW verschwinden. Strunk warnt: „NRW geht mit der Rohstoffabgabe einen Sonderweg, die heimische Produktion hat damit künftig einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Bundesländern und dem Ausland“.
CDU und Grüne: Koalitionsvertrag gilt
Allerdings: Bisher zeigen sich die Spitzen der Fraktionen von CDU und Grünen ungerührt von dem wachsenden Widerstand – zumindest äußerlich. Was im Koalitionsvertrag stehe, gelte, heißt es dort unisono. Volkhard Wille, Sprecher für Natur- und Umweltschutz der grünen Landtagsfraktion, äußert sich gegenüber dem WDR verwundert darüber, „dass jetzt von den Verbänden eine Kampagne losgetreten wird“.
Noch gebe es gar keinen Gesetzesentwurf und auch die Details der Abgabe stünden noch nicht fest. Es gehe darum, mit der Abgabe einen Anreiz zu setzen, mehr Baustoffe wieder zu verwerten. Der Kreislaufwirtschaft gehöre gerade im Bausektor die Zukunft. „Denn die endliche Ressource Kies und Sand ist so oder so eines Tages zu Ende“, sagt Wille.
Der Streit über die Abgabe ist aber sicher noch nicht zu Ende. Wahrscheinlich nach der Sommerpause will der grüne Umweltminister Oliver Krischer einen Gesetzesentwurf zur Einführung der Rohstoff-Abgabe vorlegen. Insbesondere für den Regierunspartner CDU dürfte es dann schwierig werden, wenn der Widerstand aus den eigenen Reihen weiter wächst.
Über dieses Thema berichtet der WDR auch in seiner Sendung Westblick am 23.05.2023.