Sorgen wegen Dürre: Klimaangst "kann uns sogar beflügeln"

Stand: 20.08.2022, 20:33 Uhr

Waldbrände, Dürre und das Niedrigwasser im Rhein machen vielen Menschen Sorgen, sogar Angst. Klimaangst sei berechtigt, sagt Klima-Aktivistin und Psychotherapeutin Lea Dohm im Interview - aber sie könne auch etwas Gutes sein.

Zwei von drei Menschen in Deutschland machen sich wegen der Wetterereignisse in diesem Sommer wie Dürre und Waldbrände Sorgen um die Zukunft. Das zeigt eine aktuelle Umfrage. Sind Klimasorgen und Klimaangst berechtigt - oder doch übertrieben und vielleicht sogar lähmend und hinderlich?

Klimaangst sei gut - man müsse nur etwas daraus machen, sagt im Interview Lea Dohm. Sie ist Psychotherapeutin, hat "Psychologists for Future" mitgegründet, eine Unterstützergruppe der Klimaschutz-Bewegung "Fridays for Future" und arbeitet mittlerweile bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit. Vor kurzem erschien ihr Buch: "Klimagefühle - Wie wir an der Umweltkrise wachsen, statt zu verzweifeln".

WDR: Vielen Menschen macht der Klimawandel Sorgen, zum Teil auch Angst. Von Klimaangst ist die Rede. Unterscheiden Psychotherapeuten eigentlich zwischen Sorgen machen und Angst haben?

Lea Dohm | Bildquelle: T.W. Klein

Leo Dohm: Sorgen sind eher kognitiv, beziehen sich auf Gedanken. Sie können sich zum Beispiel einstellen, wenn man an einen bestimmten Sachverhalt denkt. Unter Angst versteht man eher eine gefühlsmäßige Wahrnehmung, die sich zum Beispiel in Unwohlsein und Anspannung äußern kann.

WDR: Sollte man Klimaangst dann nicht vor allem psychologisch behandeln?

Dohm: Angst zu haben, ist aus psychologischer Sicht erst mal gesund und normal. Angst ist ein Warnzeichen. Sie weist uns auf einen Missstand hin. Darauf sollte ein Realitätscheck folgen: Ist die Angst berechtigt? In diesem Fall ja.

Klimaangst ist nichts, was wir therapeutisch behandeln können wie eine Angst vor Spinnen oder Prüfungen. Es handelt sich um eine Realangst - nämlich vor einer großen Bedrohung, dem Klimawandel.

WDR: Sie sind selbst Klima-Aktivistin. Dass Sie das Hauptproblem der Klimaangst im Klimawandel selbst sehen, mag insofern nicht verwundern. Trotzdem: Kann Klimaangst nicht auch in eine Klimahysterie abdriften, die weder einen selbst noch die Gesellschaft voranbringt?

Dohm: Bei den "Psychologists for Future" haben wir ja eine kostenlose Beratung für Menschen, die sich im Klimaschutz engagieren. Klimahysterie erleben wir da nicht - ganz im Gegenteil. Den Begriff Klimahysterie gibt es ohnehin nur in der Umgangssprache, und er wird eigentlich nur zur Diffamierung von Umweltschützern gebraucht.

WDR: Aber Angst kann auch lähmend wirken. Wie soll daraus etwas Positives entstehen?

Dohm: Wenn stärkere Angst zu Zuständen wie Panik führt, sind wir erst mal nicht mehr rational handlungsfähig. Das bringt uns nicht weiter. Deshalb ist es wichtig, Handlungsoptionen zu erkennen. Das kann uns dann sogar beflügeln.

WDR: Welche Handlungsoption meinen Sie zum Beispiel?

Dohm: Ich empfehle auf jeden Fall, nicht darauf zu warten, dass die Regierung oder andere für den Klimaschutz genug tun, sondern selbst anzufangen. Einerseits kann man sich selbst politisch engagieren. Andererseits sollte man schauen, wie man Klimaschutz mit seinem Lebensalltag, mit Bereichen, die einen interessieren, verbindet. Und das am besten gemeinsam mit anderen. Nur auf Dinge zu verzichten, um Emissionen einzusparen, beflügelt wohl die wenigsten.

WDR: Klimaschützern wird oft vorgeworfen, Angst zu schüren. Ist das nicht eine unlautere Methode, um andere von den eigenen Ansichten zu überzeugen?

Dohm: Ich betrachte das nicht als Angst schüren. Angst zu schüren, wäre ja, etwas zu bestärken, was nicht sein müsste. Angst vorm Klimawandel ist aber berechtigt. Das Problem ist real. Da ist sich die Wissenschaft bis auf nur noch ganz wenige Ausnahmen einig. Also muss man die Fakten auch wahrheitsgemäß benennen. Das gilt genauso für den Krieg in der Ukraine, der ja ebenfalls Angst macht.

WDR: Können Sie denn nachvollziehen, dass das viele Menschen nervt und vom Klimaschutz womöglich sogar abschreckt?

Dohm: Total! Das sind Themen, mit denen man sich nicht gerne beschäftigt, gerade wenn es mit Einschränkungen verbunden ist. Deshalb müssen wir schauen, wie wir Menschen besser mitnehmen können. So sollte man das Positive des Klimaschutzes hervorheben: Er kann zum Beispiel Entschleunigung mit sich bringen und der eigenen Gesundheit sehr guttun.

Das Interview führte Jörn Seidel.