Ärzte wollen keine Atteste mehr für Schulkinder vor den Ferien ausstellen

Stand: 05.06.2023, 19:09 Uhr

Wenn Kinder kurz vor oder nach den Ferien in der Schule fehlen, kann dies ein ärztliches Attest erfordern. Kinder- und Jugendärzte in NRW wollen dabei nicht mehr mitmachen. Das hat ihr Berufsverband gut zwei Wochen vor Beginn der Sommerferien angekündigt.

Im Laufe eines Schuljahres können Eltern ihrem kranken Kind normalerweise selbst eine Entschuldigung schreiben. Kurz vor oder nach den Ferien aber sieht das anders aus. Wenn eine Schule nämlich „begründete Zweifel“ hat, dass ein Kind aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Unterricht kommt, „kann die Schule von den Eltern ein ärztliches Attest verlangen“, heißt es auf der Homepage des NRW-Schulministeriums.

Wir sind doch nicht die Schulpolizei

Dagegen wehrt sich der Berufsverband der Kinder und Jugendärzte (BVJK). „Wir brauchen unsere Zeit, um kranke Menschen zu behandeln und nicht, um Atteste auszustellen“, sagt Christiane Thiele, die Vorsitzende des Verbandes Nordrhein dem WDR.

Christiane Thiele, Vorsitzende des BVKJ Nordrhein, in ihrer Praxis. Kinder- und Jugendmediziner in NRW wollen die vorgeschriebenen medizinischen Atteste für kurz vor oder nach den Schulferien fehlende Schülern nicht mehr ausstellen

Christiane Thiele: Keine Atteste mehr für Schulen zu Kontrollzwecken

Häufig würden Eltern auch in ihre Praxis in Viersen kommen und ihre Vorstellung mit dem Satz beginnen „Ich wäre ja nicht gekommen, aber die Schule verlangt ein Attest.“ Das aber sei totale Zeitverschwendung. Erst recht in einer Zeit, in der viele Praxen völlig überlastet seien. Wenn eine Schule den Eltern nicht glaube, sei es nicht ihre Aufgabe zu kontrollieren, meint Thiele. Denn die Kinder- und Jugendärzte seien nicht die Schulpolizei.

Wie sinnvoll sind die Atteste?

Zumal die Atteste aus Sicht von Kinderärztin Christiane Thiele Unsinn sind. Es gehe an der Realität vorbei, wenn das Ministerium oder eine Schule argumentiert, nur mit einem Attest lasse sich klären, ob ein Kind wirklich krank sei. „Wenn mir Eltern sagen, das Kind habe starke Migräne oder Durchfall, dann kann ich das kaum widerlegen.“

Verband fordert andere Lösung

Wenn der Gesetzgeber die Kinder und Schulkinder „überwachen“ wolle, dann solle er das anders organisieren, fordern die Mediziner. Zum Beispiel über den öffentlichen Gesundheitsdienst oder das Ordnungsamt. Oder aber die Schulen müssten selbst kontrollieren, ob ein Kind tatsächlich zu Hause ist, oder ob es früher als erlaubt in den Urlaub gefahren ist.

Über diese Ansicht habe man jetzt auch das NRW-Schulministerium informiert und fordert eine andere Lösung, heißt es vom Berufsverband. Beim BVJK geht man davon aus, dass viele Kinder- und Jugendärzte in NRW kurz vor den Sommerferien keine Atteste mehr ausstellen werden. Christiane Thiele glaubt: „Sie werden sagen, dafür ist mir meine Zeit zu schade und diese Zeit wird anderen Kindern gestohlen.“

Schulministerium: keine generelle Attestpflicht

Auf WDR-Anfrage heißt es aus Düsseldorf vom Ministerium für Schule und Bildung NRW, dass „Schulversäumnisse aus Krankheitsgründen grundsätzlich durch die Eltern schriftlich zu entschuldigen sind“. Das gelte auch kurz vor und nach den Ferien. Hier gebe es keine generelle Attestpflicht.

Die Schulen seien auf die geltende Rechtslage zuletzt erst im Dezember 2022 hingewiesen worden. Sie sollten ein ärztliches Attest laut Schulministerium ausdrücklich nur dann einfordern, wenn „begründete Zweifel“ an der Erkrankung des Schülers bzw. der Schülerin bestünden, so das Schulministerium.