Kasper König steht an einer Treppe im Museum

Vom Aussteiger zum Ausstellungsmacher: Zum Tod von Kasper König

Stand: 10.08.2024, 13:56 Uhr

Vermittler, Kurator, Professor und Direktor: Kasper König war ein Strippenzieher in der Kunstszene. Nun ist der Mitbegründer der Skulptur Projekte Münster und langjährige Direktor des Kölner Museums Ludwig gestorben.

Von Simone Maurer

Schulabbruch, Wehrdienst verweigert, Ersatzdienst abgebrochen und fahnenflüchtig: Als 18-Jähriger wirft König alles über den Haufen - und tritt auch noch aus der Kirche aus. Das jüngste von sechs Kindern einer katholisch bürgerlichen Kaufmannsfamilie pocht schon damals auf Unabhängigkeit.

Dass aus einem schwierigen Jugendlichen einer der renommiertesten Ausstellungsmacher Deutschlands, ein Kulturmanager und Ideengeber wird, ist einem Schulausflug ins Museum Folkwang in Essen zu verdanken.

Es sind nicht die großen Namen, die den Schüler Rudolf Hans König, wie er damals hieß, faszinieren. Seine Aufmerksamkeit weckt ein kleines Plakat mit Zeichnungen von Cy Twombly bei der Garderobe. Es zeigt pornografische Penis- und Vagina-Kritzeleien, "fast in der Art von Schmierereien auf öffentlichen Toiletten". Königs Interesse für die Kunst ist geweckt: "Ich war fasziniert, dass man so was ausstellt, das hat mir sehr imponiert."

Kasper König ist tot

WDR Studios NRW 10.08.2024 00:13 Min. Verfügbar bis 10.08.2026 WDR Online


Von Westfalen über Köln nach London

König wird kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, 1943, im westfälischen Mettingen geboren. Mit 19 Jahren macht er seine erste Ausstellung. Als Volontär des Kölner Galeristen und späteren Mitbegründers der Art Cologne, Rudolf Zwirner, stellt er im Keller der Galerie gerahmte Witze aus, die es an Raststätten als Zugabe zu einem Stück Seife und einem Papiertaschentuch gibt.

Während seiner kurzen Volontärszeit in Köln lernt er Kritiker, Sammler, Museumsleute und Künstler kennen. So trifft er an der Kunstakademie in Düsseldorf die Begründer des "Kapitalistischen Realismus" Sigmar Polke, Manfred Kuttner, Konrad Fischer Lueg und Gerhard Richter, die sich kritisch mit der vorherrschenden Konsumorientierung auseinander setzen.

Aus Rudolf wird Kasper

Doch König gilt in der Bundesrepublik als fahnenflüchtig, weil er seinen Wehrdienst verweigert und den Ersatzdienst abgebrochen hat. Er flieht nach London, wo ihm die deutschen Behörden immer noch Briefe zustellen – und ändert seinen Namen: aus Rudolf Hans wird Kasper.

Erste Ausstellungen für Warhol und Oldenburg

Eines seiner Prinzipien lautet: Dinge einfach machen. Mit Anfang 20 lebt er in New York und organisiert die ersten Ausstellungen – auch weil er eine Greencard braucht. Schon damals zeigt sich sein großes künstlerisches Gespür. Er organisiert die erste Einzelausstellung für Andy Warhol und Claes Oldenburg in Stockholm, für den er dann 1972 bei der documenta 5 in Kassel das "Mouse Museum" präsentiert.

Die Skulptur Projekte Münster

Der Kurator Kasper König steht in Münster zwischen Teilen des Projektes "Geschichtsschreiberin", der französischen Künstlerin Dominique Gonzalez-Förster

Kasper König leitete 2017 die Skulptur Projekte in Münster.

Kasper König war immer stolz, ein Münsterländer zu sein. So wundert es nicht, dass ihm der internationale Durchbruch in der westfälischen Heimat gelingt. Gemeinsam mit Klaus Bußmann, der im April 2019 starb, gründet er 1977 die Skulptur Projekte Münster. Straßen und Parks der Universitätsstadt verwandeln sich seither alle zehn Jahre in ein Freilichtmuseum. Doch die Ausstellung stößt vor Ort zunächst auf Ablehnung.

Erst nach Jahrzehnten haben sich die Münsteraner mit der Kunstausstellung und König angefreundet – und sie lieben gelernt. Nach der Münster-Premiere folgen weitere Großausstellungen, darunter die "Westkunst", die er 1981 in den Kölner Messehallen inszeniert. Spätestens jetzt hat er internationale Aufmerksamkeit.

Vom freien Kurator zum Rektor und Museumsleiter

Kasper König arbeitet so ziemlich mit allen großen Künstlern von Beuys bis Warhol zusammen und kennt auf der ganzen Welt Kuratoren. Doch das reicht ihm nicht. Er schlägt eine Hochschulkarriere ein, lehrt an der Kunstakademie in Düsseldorf und wird 1988 Professor und dann Direktor der berühmten Städelschule in Frankfurt. Mit dem Portikus schafft er abseits der Frankfurter Kunstmeile eine legendäre Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst.

"Ein Rambo" für Köln

Zwölf Jahre wirkt König in Frankfurt, bevor es ihn zur Jahrtausendwende an den Rhein zieht. "Ein Rambo soll die Kunststadt Köln aus der Lethargie reißen“, titelt die "Zeit" im Juni 2000. Ausgerechnet ein Quereinsteiger ohne Studium und Promotion als Direktor des Museums Ludwig – kann das gut gehen? Ja.

Kasper König setzt sich gegen alle Widerstände - auch der Stifter - durch und führt das angeschlagene Haus wieder ganz nach oben. Köln wird zur Top-Adresse für die Pop Art und die Kunst der Gegenwart in Deutschland. In seiner Amtszeit organisiert er wegweisende Ausstellungen, von Isa Genzken, George Brecht, Edward Hopper, Hans-Peter Feldmann oder  Vija Celmins.

Humorvoll, privat, bedingungslos - die Schenkung Kasper Königs an das Museum Ludwig

WDR 3 Resonanzen 10.11.2023 06:22 Min. Verfügbar bis 09.11.2024 WDR 3


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Kasper König, steht  2011 in Köln vor der Skulptur "Vater Staat" von Thomas Schütte.

2012 verabschiedete sich König vom Museum Ludwig in Köln.

Als er das Haus nach zwölf Jahren altersbedingt verlässt, verabschiedet er sich in Anspielung auf seine Premiere ("Museum der Wünsche") mit der sehr persönlichen Sonderausstellung "Ein Wunsch bleibt immer offen". Er zieht nach Berlin, kuratiert die Manifesta 10 in St. Petersburg und leitet 2017 ein letztes Mal die Skulptur Projekte in Münster.

König irritierte mit rassistischer Wortwahl

Kasper König hat Zeit seines Lebens immer klar Position bezogen. So wie damals im Streit um die Leitung der Volksbühne Berlin, wo er Chris Decron verteidigte. Doch der Kurator konnte auch irritieren. Als er Ende 2018 bei seiner Diskussionsrunde Kasper König & in den Münchener Kammerspiele die Künstlerin Cana-Bilir Meier herablassend und rassistisch beleidigt, wird er zum Auslöser einer Debatte um den alltäglichen Rassismus im Kunstbetrieb.

König, meist in zerbeulter Hose und buntem Hemd, bleibt umtriebig: Die Art Basel, die er 2020 kuratieren soll, fällt pandemiebedingt aus – also organisiert er eine eigene Messe in Berlin. In Chemnitz eröffnet er gleich nach der Bundestagswahl eine Pop-Up-Ausstellung zum Ende der Ära Merkel. "Ich habe jede Menge zu tun“, stellt er fest. Nun ist Kasper König im Alter von 80 Jahren gestorben – ohne ihn wird die Kunstszene eine andere sein.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 10.08.2024 auch in seinen Hörfunk-Nachrichten.