Protest gegen Kardinal Woelki: Boykott-Aktion von Laien und Geistlichen

Stand: 06.09.2022, 07:33 Uhr

Mit einer Boykott-Aktion haben führende Geistliche und Laienvertreter im Erzbistum Köln gegen Kardinal Rainer Maria Woelki protestiert. Ein wichtiges Beratergremium, der Diözesanpastoralrat, war nicht beschlussfähig.

Der Diözesanpastoralrat hat am Montagabend in Düsseldorf getagt. Allerdings hat deutlich weniger als die Häfte der mehr als 70 Mitglieder des Gremiums daran teilgenommen. Deshalb war der Rat nicht beschlussfähig.

Bereits kurz nach der Einladung hatte es immer wieder Absagen gegeben, am Wochenende kamen weitere dazu, wie aus einem internen Schreiben des Erzbistums hervorging, dass dem WDR vorliegt. Hintergrund ist, dass viele Mitglieder des Rates in einem eigenen Tagesordnungspunkt über die aktuelle Krise des Bistums sprechen wollten. Das sei aber nicht möglich, man könne höchstens am Rande das Thema diskutieren, so das Erzbistum. Ob es am Abend noch zu einem Austausch kommt, ist ungewiss.

Woelki gibt sich schmallippig

Kurz vor Beginn der Sitzung des Diözesanpastoralrats äußerte sich Kardinal Woelki gegenüber dem WDR. Es sei "schade, dass sich so viele abgemeldet haben", so Woelki. Aber viele Ratsmitglieder sein im Urlaub. Auf die konkreten Vorwürfe eines Boykotts sagte Woelki, er habe keine Sorge, dass da etwas auseinanderbrechen würde. "Wir Christen sind doch die Experten für Versöhnung. Wir wollen doch alle den Dialog und das Miteinader. Und das ist das Entscheidende", so der Kardinal.

Vorsitzender der Laienvertretung nimmt nicht teil

Auch der Vorsitzende der Laienvertretung im größten deutschen Bistum, der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) nahm nicht an der Sitzung des Diözesanpastoralrats teil, so wie viele andere Delegierte auch. Der Diözesanpastoralrat ist das wichtigste Beratungsgremium des Erzbischofs.

Kurzbach begründete das damit, dass die Spitze des Erzbistums eine ausführliche Diskussion über die jüngsten Vorwürfe gegen Woelki offenbar kleinhalten wolle. Generalvikar Guido Assmann, Woelkis Stellvertreter, habe es versäumt, dieses Thema als einziges und von vornherein auf die Tagesordnung zu setzen.

"Das hat eine große Zahl von Menschen dazu gebracht, dass sie nicht hingehen: Priester, hauptamtlich beim Erzbistum Beschäftigte und auch Laien." Woelki war zuletzt unter anderem vorgeworfen worden, den Beirat von Betroffenen sexuellen Missbrauchs mithilfe einer PR-Agentur instrumentalisiert zu haben. Er selbst weist dies zurück.

"Nervenkrieg zwischen Köln und Rom"

Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach | Bildquelle: WDR

"Die Stimmung im Erzbistum befindet sich auf einem neuerlichen, absoluten Tiefpunkt, und darüber müsste natürlich dringend geredet werden", sagte Kurzbach. Der derzeitige Schwebezustand sei "unerträglich". Papst Franziskus hatte Woelki vor Monaten aufgefordert, ein Rücktrittsgesuch an ihn zu richten, worüber der Papst aber bis heute nicht entschieden hat. "Wir befinden uns in einer Art Nervenkrieg zwischen Köln und Rom", sagte Kurzbach. "Die Leidtragenden sind die Gläubigen im Erzbistum Köln."

Kurzbach habe vergangene Woche noch mit jemandem gesprochen, der bei einem katholischen Träger angestellt sei und seine Kinder im katholischen Glauben erzogen habe. Nun hätten sie ihm offenbart, dass sie wegen Kardinal Woelki aus der Kirche ausgetreten seien. "Dieser Vater ist bis ins Mark getroffen, hat geweint. Mir gehen solche persönlichen Schicksalen sehr nahe", sagte Kurzbach.

Auch die Kölner Gemeindereferentin Marianne Arndt blieb der Sitzung fern. Sie sagte dem WDR: "Im Moment verweigern wir uns." Alle Nicht-Teilnehmenden wollten Arndt zufolge dem Kardinal damit sagen: "So können wir mit Ihnen diesen Weg nicht mehr weitergehen."

Thomas Kaster, Stadtdechant aus Remscheid, zeigt Verständnis für die vielen Absagen von Ratsmitgliedern. "Hier müsste jetzt wikrlich ein Gespräch stattfinden", sagt Kaster, "das voraussetzt, dass der Kardinal das, was da zu sagen ist, sich auch wirklich anhört und auch zu Herzen nimmt."

Boykott ist eine "neue Eskalation"

Ein hoher Geistlicher des Erzbistums bestätigte, viele hätten das Gefühl, dass Worte und Diskussionen nicht mehr weiterführten. "Also setzen viele jetzt ein deutliches Zeichen dafür, dass es so nicht weitergehen kann und bleiben dem Diözesanpastoralrat fern. Das ist eine neue und noch nie da gewesene Eskalation. Die große Mehrheit wünscht endlich einen Neuanfang und ein klares Signal des Kardinals, dass er seinen Rücktritt anstrebt und entsprechend auf den Papst einwirkt."

Woelki hat jedoch mehrfach klargestellt, dass er nur dann aus dem Amt scheiden will, wenn der Papst ihn abberufen sollte. Stattdessen appellierte er an alle Gruppen im Erzbistum, aufeinander zuzugehen. Christen müssten "Fachleute in Versöhnung" sein, sagte er. Er selbst habe zum Beispiel auch mit Vertreterinnen und Vertretern von Reformbewegungen gesprochen.

Kurzbach betonte hingegen, die derzeitige Krise sei keine Strömungsfrage. "Wir kennen sogar repräsentative Umfragen. Und die zeigen: Es ist ein breit aus dem Bistum getragener Vertrauensverlust dem Bischof gegenüber, was einem aber auch jeder Pastor an der Basis bestätigen kann."