Messer-Verbot: Entweder ganz oder gar nicht! | MEINUNG

Stand: 16.08.2024, 06:00 Uhr

Bundesinnenministerin Faeser will das Waffenrecht verschärfen: Messer mit einer Klinge über sechs Zentimeter dürfen dann in der Öffentlichkeit nicht mehr mitgeführt werden. Das Problem ist nicht die Klingenlänge, sondern die Gewaltbereitschaft, sagt Ralph Sina.

Von Ralph Sina

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Ohne ihr Lieblings-Messer geht sie morgens selten aus dem Haus: Meine ehemalige Münsteraner Studienkommilitonin Wiebke ist seit vielen Jahren Lehrerin am Gymnasium und liebt "ihr kleines Opinel".

Beispielbild eines Opinel-Messers | Bildquelle: Denise Potzkai / WDR

Die Pädagogin ‚bewaffnet‘ sich nicht etwa zur Selbstverteidigung. Mit ihrem französischen Taschenmesser kappt sie während ihrer Zugfahrt zur Schule Fäden beim Häkeln oder Stricken oder sie schneidet sich noch schnell Äpfel für die Schulpausen. Wenn das Messer-Verbot kommt, muss sie ihr Opinel zu Hause lassen oder sich eines mit kürzerer Klinge kaufen.

"Was für ein Schwachsinn!", lautet der Kommentar der Pädagogin. Schließlich reiche ein kompaktes Schweizer 60 Millimeter-Taschenmesser, in den Händen eines zu allem Entschlossenen völlig aus, um jemanden schwer zu verletzen. In diesem Punkt muss ich ihr völlig recht geben.

Entweder ein generelles Messerverbot in der Öffentlichkeit oder keines!

Der Faeser-Ansatz: Ein bisschen Messer ist okay, dann wird es im Ernstfall schon nicht so schlimm ist fragwürdig und eine untaugliche Beruhigungspille für eine beunruhigte Öffentlichkeit.

Deshalb ist die Frage durchaus naheliegend:

Warum gibt es angesichts der drastisch zunehmenden Attacken mit Stichwaffen kein konsequentes Verbot aller Messer im öffentlichen Raum? Gekoppelt mit entsprechenden Kontrollbefugnissen der Polizei. Selbstverständlich mit Ausnahmen für Handwerker, Hausmeister, Landwirte oder Rettungsdienste.

Ein bisschen Messer gibt es nicht, argumentieren die Befürworter eines konsequenten Messerverbots in der Öffentlichkeit. Dazu gehört auch NRW-Innenminister Herbert Reul. "Messer gehören in die Küche, nicht in die Hosentasche. Ob sechs oder zehn Zentimeter - Messer bleibt Messer.", zitiert ihn die Bild.

Allerdings ist Reul zu klug, um ernsthaft zu glauben, ein radikales Messerverbot wäre mehr als eine verzweifelte Bekämpfung von Symptomen. Das Problem ist also nicht das Messer an sich oder die Länge der Klinge. Das Problem ist sein Besitzer und dessen Gewaltbereitschaft.

Was ist über Messerstecher bekannt?

In NRW waren die Täter 2023 in den meisten Fällen männlich. Rund die Hälfte der Täter haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Messerangriffe sind definiert als Tathandlungen, bei denen eine Person mit einem Messer verletzt oder bedroht wurde. Es werden als nicht nur Gewalttaten erfasst, sondern auch viele Bedrohungen. An beiden sind also in absoluten Zahlen viele Deutsche beteiligt. Aber auch das gehört zur Wahrheit: Der Anteil von Asylbewerbern und Migranten unter den Tatverdächtigen liegt deutlich über dem Anteil von Einwanderern und Nicht-Deutschen an der Gesamtbevölkerung.

Messerattacken werden Deutscher Alltag

Erst seit 2022 wird das Phänomen "Messerangriff" in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Bereits ein Jahr später wurden 791 mehr Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung durch Messerattacken registriert. Auch die Zahl der Raubdelikte mit Messern stieg im gleichen Zeitraum massiv. Die Bilanz: Zählt man beides zusammen gab es 2023 rund 1.500 Messer-Gewalt-Fälle mehr als im Vorjahr.

Der Trend ist ungebrochen. Auch in diesem Jahr nehmen die Messerangriffe weiter zu:

In Berlin schlagen bereits Chirurgen der renommierten Uniklinik Charité Alarm, weil sie im ersten Halbjahr 2024 so viele Stichverletzungen registrierten wie sonst in einem ganzen Jahr!

Auch in NRW gehören Messerattacken mittlerweile zum Alltag. Das zeigen auch die vielen Beiträge im Fernsehen, Print und Online.

Besonders schockiert hat mich im Februar die Ermordung der beiden jungen ukrainischen Basketballer Volodymyr und Artem am Busbahnhof vor dem Oberhausener Hbf. Die beiden Jugendnationalspieler flohen vor dem Völkermörder Putin. Und wurden im vermeintlich sicheren Deutschland erst im Bus grundlos provoziert. Und dann nach dem Aussteigen umringt und erstochen.

Der 15-jährige polizeibekannte Intensivstraftäter und Deutsch-Türke Mert V. und dessen Clique müssen sich dafür seit dieser Woche vor dem Essener Landgericht verantworten. Motiv laut Anklage: die ukrainische Herkunft der Opfer.

Hätte ein Messerverbot - egal ab welcher Klingenlänge - diesen bereits wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraften Jugendlichen beeindruckt? Hätte es ihn und seine Clique vom mutmaßlichen Morden abgehalten? Wohl kaum. Ich bin durchaus dafür, besonders gefährliche Messer in der Öffentlichkeit zu verbieten. Aber ich halte es für eine pure Illusion zu glauben, dass allein dadurch die Messergewalt in Deutschland deutlich zurückgeht.

Das Problem sind nicht die Messer, sondern ihre gewaltbereiten Besitzer

Solange Jugendliche, wie der wegen des Mordes an den beiden Ukrainern angeklagte Mert V. aus Gelsenkirchen auf freiem Fuß sind, obwohl er wegen gefährlicher Körperverletzung und schwerem Raub bereits vorher verurteilt wurde und obwohl er sich weigerte, an Präventionsprogrammen für kriminelle Jugendliche teilzunehmen, ändert auch das radikalste Messerverbot herzlich wenig.

Messerverbot als Ersatzhandlung

Solange Asylverfahren in Deutschland Monate dauern. Und nicht Wochen wie in den Niederlanden. Solange abgelehnte oder gar durch Messerattacken straffällig gewordene Asyl- Bewerber nicht konsequent abgeschoben werden, sind Messerverbote eine billige Ersatzhandlung!

Innenministerin Faeser möchte der Bevölkerung entschlossenes Handeln demonstrieren. Während sie gleichzeitig die Fortsetzung intensiver Grenzkontrollen, wie während der Fußball-Europameisterschaft, ablehnt. Vielleicht sollte sich Frau Faeser in Sankt Augustin einmal die potentiell mörderischen Butterfly- und Einhand-Messer ansehen, die Beamte der Bundespolizei bereits nach nur zwei Stunden Kontrolle an der deutsch-niederländischen Grenze bei Aachen entdeckten.

Diese Art von Grenzkontrollen sind das effektivste Messerverbot!

Aus Angst zurück zum Auto

Ich war in den letzten Monaten häufig mit meinem 49-Euro-Ticket in überfüllten Regionalzügen im Ruhrgebet unterwegs. Zwischen Oberhausen und Bottrop, Gelsenkirchen, Essen und Duisburg. Jedes Mal habe ich tief durchgeatmet und gehofft, dass alle im Abteil und in den Gängen gelassen bleiben. Und eventuelle Stichwaffen in den Taschen.

Ich kenne Fans des ÖPNV, die aus Angst vor Messerattacken mittlerweile trotz ihres Deutschlandtickets wieder mit ihrem Auto die Umwelt und ihr Klimagewissen belasten - und ich kann es ihnen nicht verdenken.

Messer-Verbot ganz oder gar nicht? Oder vielleicht doch ein Mittelweg? Was hilft gegen die vielen Messerangriffe? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

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