Häusliche Gewalt nimmt zu - diese Hilfe gibt es für Opfer und Täter

Stand: 11.07.2023, 21:45 Uhr

Die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt nimmt zu. Was können Betroffene - meistens Frauen - und ihr Umfeld tun? Welche Hilfe gibt es für Opfer, aber auch Täter? Ein Überblick.

Von Jörn Seidel und Andreas Schneider

Am Sonntagmittag soll ein Mann seine Frau und das gemeinsame Kind in Duisburg-Vierlinden angefahren und laut Augenzeugenberichten anschließend mit Tritten und Schlägen angegriffen haben. Die Frau ist mittlerweile an ihren Verletzungen gestorben, das Kleinkind schwebt weiter in Lebensgefahr.

Auch wenn dieser Fall besonders extrem erscheint, Gewalt an Frauen ist in Deutschland Alltag. Laut dem Lagebild "Häusliche Gewalt" vom BKA, sind 2021 mehr als 125.000 Frauen zum Opfer von häuslicher Gewalt durch ihrem Partner geworden sind. Dazu kommt aber vermutlich noch eine sehr hohe Dunkelziffer. Insgesamt 113 Frauen sind laut BKA 2021 sogar Opfer von Partnerschaftsgewalt mit tödlichem Ausgang geworden. 113 Frauen sind also durch die Hand ihres Partners gestorben.

Tödlicher Ausgang oft nur das Ende

Opfer von Partnerschaftsgewalt erleben oft jahrelang Demütigungen, Schläge und noch weitaus Schlimmeres. Für Außenstehende ist häusliche Gewalt trotzdem häufig nicht zu erkennen. Besonders dramatisch: Die Zahl der gemeldeten Verbrechen steigt.

Häusliche Gewalt 2022 - Zahlen im Überblick:

  • 240.547 Opfer häuslicher Gewalt registriert (plus 8,5 Prozent zum Vorjahr)
  • davon 157.818 Opfer von Partnerschaftsgewalt (plus 9,1 Prozent zum Vorjahr)
  • 80,1 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt sind Frauen
  • 78,3 Prozent der Tatverdächtigen bei Partnerschaftsgewalt sind Männer

Hinzu kommt die Dunkelziffer. "Dunkelfeld-Studien gehen von 25 Prozent aus", sagt Soziologin Petra Brzank.

Was können Betroffene von häuslicher Gewalt tun?

Betroffene sollten möglichst frühzeitig Hilfe suchen und Beratungsangebote wahrnehmen, sagte Martina Schmitz, Geschäftsführerin des Dachverbandes der autonomen Frauenberatungsstellen NRW, am Dienstag dem WDR.

Besonders einfach kann es für Betroffene sein, zunächst telefonische Beratung in Anspruch zu nehmen. Dafür gibt es zum Beispiel zu jeder Uhrzeit das "Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen" unter der Nummer: 116016. Gut zu wissen: Der Anruf ist kostenlos, und die Nummer erscheint nicht auf der Telefonabrechnung. Die Beratung erfolgt vertraulich, auf Wunsch anonym und ist in 18 Fremdsprachen möglich. Es gibt auch Beratung per Chat, zum Beispiel über die Website www.hilfetelefon.de - allerdings nur auf Deutsch.

Außerdem gibt es persönliche Beratung. Welche Angebote Betroffene in ihrer Nähe finden können, lässt sich zum Beispiel über die Online-Suche des Dachverbandes der autonomen Frauenberatungsstellen NRW herausfinden: www.frauenberatungsstellen-nrw.de/beratungsstellen.

Für Männer gibt es das "Hilfetelefon Gewalt an Männern" unter der Nummer 0800/1239900. Weitere Informationen - auch zur Chat- und E-Mail-Beratung - gibt es auf der Website www.maennerhilfetelefon.de.

Was tut die Politik gegen zunehmende Gewalt an Frauen?

Im Vergleich zu 2020 hat die Landesregierung rund neun Millionen Euro mehr für die dauerhafte Verstärkung und den Ausbau der landesgeförderten Hilfestrukturen zur Verfügung gestellt. Das bedeutet mehr Geld für Frauenhäuser, Fachpersonal und andere Träger, die Frauen in Not helfen.
"Darüber hinaus gibt es Fördertöpfe für Kommunen, damit öffentlichwirksam auf das Problem hingewiesen werden kann oder damit die Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskursen für Frauen und Mädchen durchgeführt werden können.", sagt ein Sprecher des NRW-Familienministeriums.

Auch der Bund bezuschußt Frauenhäuser in Deutschland. Laut einem Sprecher des Bundesfamilienministeriums wurden bislang bereits 62 Vorhaben bewilligt werden, durch die 330 neue Plätzen in Frauenhäusern geschaffen und 353 Plätze in ihrer Zugänglichkeit verbessert wurden.

Was können Freundinnen und andere Vertraute von Betroffenen tun?

Wichtig sei es, eine klare Haltung gegen Gewalt zu zeigen und gleichzeitig zuzuhören und zu trösten, sagt Schmitz.

Praktisch helfen kann es, auf Beratungsangebote hinzuweisen, zum Beispiel das "Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen", oder den Kontakt zu einer persönlichen Beratungsstelle herzustellen.

Dabei sollte man aber keinen Druck auf die Betroffenen ausüben, sagt Schmitz. "Es geht darum, die Wünsche der Betroffenen zu respektieren." Denn mit den Folgen einer Reaktion auf die häusliche Gewalt - zum Beispiel einer dauerhaften Trennung - müssten die Betroffenen letztlich selbst leben.

Welche Rechte haben Betroffene? Was können sie tun?

In den Beratungen wird den Betroffenen unter anderem aufgezeigt, welche Rechte und Handlungsmöglichkeiten sie bei häuslicher Gewalt haben. Es gibt viele - zum Beispiel diese:

Karl-Heinz Kosock, Außebstellenleiter vom Weissen Ring

Karl-Heinz Kosock von der Hilfsorganisation Weißer Ring, Außenstelle Düsseldorf

Das Polizeigesetz NRW ermöglicht es, einen Täter vorübergehend aus der gemeinsamen Wohnung zu verweisen und ein Rückkehrverbot auszusprechen. "Das sind zehn Tage. Das ist die Standard-Frist", sagte Karl-Heinz Kosock von der Hilfsorganisation Weißer Ring am Dienstag dem WDR.

Tätern kann es untersagt werden, die Opfer anzurufen oder ihnen Textnachrichten zu schicken.

Es gibt die Möglichkeit einer befristeten Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung - sogar unabhängig von den vertraglichen Eigentums- oder Mietverhältnissen.

Das Opferentschädigungsgesetz bietet die Möglichkeit, staatliche Entschädigung zu beantragen.

Der Weiße Ring bietet auch einen Hilfescheck für eine psychotraumatologische Erstberatung und für eine anwaltliche Erstberatung an.

Außerdem bietet die Hilfsorganisation Unterstützung bei einem Umzug, bei der Wohnungseinrichtung und bei der finanziellen Überbrückung tatbedingter Notlagen an.

Was können Täter tun, um ihr Verhalten in den Griff zu bekommen?

Auch für Täter gibt es Beratungs-, Therapie- und Trainingsprogramme. Wer gar nicht erst zum Täter werden will, aber Angst hat, gewalttätig zu werden, für den bietet die Behandlungsinitiative Opferschutz die bundesweite, kostenfreie Hotline für "Tatgeneigte" unter 0800/7022240 an.

Gewaltausübende Menschen finden zum Beispiel Hilfe über die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. Auf deren Website gibt es eine Beratungsstellen-Suche.

Wer merkt, dass er in der Partnerschaft zu Gewalt neigt, und dagegen etwas tun möchte, kann auch ein Anti-Gewalt-Training machen. Anbieter gibt es viele. Bei solchen Trainings lernen Täter, wie sie ihr Verhalten kontrollieren, Provokationen bewältigen und Konflikte gewaltfrei lösen können.

Über dieses Thema berichtete am 11.07.2023 auch der WDR-Morgenpodcast 0630 und das "Morgenecho" bei WDR 5.

Weitere Themen