Der Bau der ersten sogenannten Direktreduktionsanlage am Standort Duisburg soll weiter wie geplant umgesetzt werden. Die Anlage kommt, anders als Hochöfen, ohne Kokskohle aus.
Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum "grünen Stahl" aus Duisburg, der mit bis zu zwei Milliarden Euro Fördergeld von Bund und Land NRW unterstützt wird.
Warum ist die Stahlproduktion schlecht fürs Klima?
Stahl macht heute mehr als acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aus, sagt Professor Stefan Lechtenböhmer von der Uni Kassel dem WDR. Der Grund: Beim sogenannten Primärstahl, der nicht aus recyceltem Material hergestellt wird, fallen laut dem Energiesystemforscher hohe Emissionen an.
Lechtenböhmer spricht von ungefähr zwei Tonnen CO2 pro Tonne Stahl. Das liege daran, dass der zentrale Prozess eben mit fossilen Energieträgern funktioniert.
Was ist "grüner Stahl"?
"Grüner Stahl" wird mit sehr wenig bis gar keinen CO2-Emissionen erzeugt. Um Stahl klimaneutral herzustellen, muss die Produktion hin zu erneuerbaren Energien umgestellt werden.
Statt auf Kohle oder Erdgas wird hier auf Wasserstoff gesetzt. Wenn der aus grünem Strom per Elektrolyse erzeugt wird, dann kann man den Stahl quasi weitestgehend CO2-neutral erzeugen. Und das ist eben ein ganz maßgeblicher Beitrag zur Klimaneutralität
Welche Rolle soll "grüner Stahl" spielen?
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hofft, dass "grüner Stahl" ein international nachgefragtes Produkt wird, weil es klimaschädliche CO2-Emissionen vermeidet.
Noch zählen die Stahlhersteller laut BMWK zu den größten CO2-Emittenten unserer Industrie. Die Stahlindustrie verursache rund 30 Prozent der industriellen Emissionen. Bis 2045 sollen sie aber klimafreundlich produzieren. Dafür muss Stahl künftig ohne fossile Energien entstehen.
Doch nicht alle äußern sich so positiv wie das vom Grünen-Politiker Robert Habeck geleitete Wirtschaftsministerium. "Wir haben hohe Energiepreise, die mittelfristig auch nicht sinken werde“, sagte etwa Henning Vöpel vom Centrum für Europäische Politik vor einigen Wochen im Sender n-tv.
Deutschland habe deutliche Wettbewerbsnachteile auf den internationalen Märkten. Gleichzeitig gebe es Überkapazitäten. Das bedeutet laut Vöpel: "Grüner Stahl ist – Stand heute – nicht wettbewerbsfähig."
Wie ist die Situation bei Thyssenkrupp?
Bereits im Mai hatte sich auch Thyssenkrupp-Chef Miguel López mit Blick auf den Zustand der Stahlindustrie kritisch geäußert: Die Nachfrage sei zu gering, die Kosten insbesondere für Energie seien zu hoch, Überkapazitäten drückten auf die Preise. Hinzu kämen Billigimporte aus Asien.
In dem Zusammenhang verteidigte er die Umbaupläne der Stahlsparte. "Wir wollen einen Stahl, der nachhaltig Geld verdient – und zwar so viel Geld, dass wir die Transformation hin zu grünem Stahl schaffen", sagte der Thyssenkrupp-Vorstandsvorsitzende.
WDR-Wirtschaftsredakteur Jörg Marksteiner ordnet ein: "Thyssenkrupp Stahl ist der größte deutsche Stahlproduzent und damit auch ein wesentlicher Player im Ruhrgebiet und in Nordrhein-Westfalen." Die Zukunft des Unternehmens ist also für die Region und das Land von Bedeutung.
Vor ungefähr einem Jahr hat die EU-Kommission deutsche Milliarden-Beihilfen zum Bau einer Großanlage für die Herstellung von klimafreundlicherem Stahl durch Thyssenkrupp genehmigt. Konkret ging es um eine Unterstützung in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro.
Damals wurde mitgeteilt, ab 2026 wolle Thyssenkrupp einen kompletten Hochofen ersetzen. Das dort verwendete Gas solle bis 2037 vollständig durch erneuerbaren Wasserstoff ersetzt und somit klimafreundlicher werden.
Nun heißt es, trotz des Umbaus wolle Thyssenkrupp an dem Ziel festhalten, bis spätestens 2045 vollständig klimaneutral zu produzieren. Daher werde der Bau der ersten Direktreduktionsanlage am Standort Duisburg weiter wie geplant umgesetzt.
Unsere Quellen:
- WDR-Interview mit Professor Stefan Lechtenböhmer
- Einschätzung von WDR-Redakteur Jörg Marksteiner
- Berichte zu aktuellen Protesten in Duisburg und Milliarden-Beihilfen für Thyssenkrupp
- n-tv-Interview mit Henning Vöpel vom Centrum für Europäische Politik
- Informationen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz
- Material der Deutschen Presse-Agentur