Gefangenenaustausch: Die Stimme der Freigelassenen Aktuelle Stunde 03.08.2024 42:59 Min. UT Verfügbar bis 31.12.2024 WDR Von Lucie Jäckels

Aus russischer Haft befreit: So geht es den Freigelassenen

Stand: 03.08.2024, 17:31 Uhr

Ihre Befreiung aus russischer Haft sei ein "Traum", sagt die Künstlerin Sasha Skochilenko. Auch andere Freigelassene zeigten sich erleichtert - und kämpferisch.

Sieben Jahre sollte Sasha Skochilenko in einem Straflager verbringen, hatte ein Gericht in Sankt Petersburg vor neun Monaten entschieden. Ihr Vergehen: Die Künstlerin hatte Preisschilder in einem Supermarkt vertauscht: mit Botschaften gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Am Freitag konnte Skolichenko in Koblenz erstmals wieder ihre Lebensgefährtin in die Arme schließen. Ihre Befreiung aus der Haft sei ein "Traum", meinte sie zu Reportern. Sie könne nur allen Beteiligten danken, die ihren Fall in die Öffentlichkeit gebracht hätten. "Meine Geschichte wurde gehört, deshalb konnte ich in dieses Flugzeug steigen."

Auch deutsche Staatsbürger unter den Freigelassenen

Unter den 13 Freigelassenen, die in Deutschland landeten, befanden sich neben den russischen Kremlgegnern auch Menschen mit norwegischer und polnischer Staatsangehörigkeit sowie deutsche Staatsbürger - etwa der 30-jährige Rico Krieger auf einer Pressekonferenz in Bonn, der ursprünglich in Belarus zum Tode verurteilt und kurz danach begnadigt worden war. Empfangen wurden sie auch von Kanzler Olaf Scholz. "Das war sehr bewegend", sagte Scholz. "Viele haben nicht damit gerechnet, dass das jetzt passiert."

Ebenfalls unter den Freigelassenen: Der Kölner Jurist und deutsch-russische Jude German Moyzhes. Er war nach Angaben der "Jüdischen Allgemeinen" Anfang Juni wegen Verdachts auf Landesverrat in St. Petersburg festgenommen worden. In einem knappen Statement würdigte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Freitagnachmittag die sichere Rückkehr German Moyzhes. "Schön, zu sehen, dass er wieder bei seiner Familie sein kann", sagte Wüst. "Menschen, die sich für Freiheit und für die Demokratie einsetzen, dürfen dafür nicht die Furcht haben, unfrei zu sein, bestraft zu werden."

Kevin Lick: Befreiung kam völlig überraschend

Kevin Lick | Bildquelle: Christoph Reichwein/dpa

Für ihn sei die Befreiung völlig überraschend gekommen, berichtet der erst 19 Jahre alte Deutsch-Russe Kevin Lick. Erst auf der Fahrt zum Flughafen habe er erfahren, dass er ausgetauscht werden soll. Lick war erst 17 Jahre alt, als ein russisches Gericht ihn wegen "Verrats" zu vier Jahren Haft verurteilte. Nach Überzeugung der Richter soll er von seiner Wohnung aus Fotos einer russischen Militäreinrichtung gemacht und diese an deutsche Behörden weitergeleitet haben.

Jetzt hat er wieder eine Perspektive: "Ich hatte keine Möglichkeit, die Schule zu beenden und will auf jeden Fall das Abitur machen", sagte Lick.

Auch mehrere prominente russische Oppositionelle unter den Freigelassenen haben sich inzwischen zu ihren Plänen geäußert, darunter auch Wladimir Kara-Mursa. Er erklärte am Freitag, dass er seinen Widerstand gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin fortsetzen werde. Der Kreml-Chef sei "ein Diktator, ein Usurpator und ein Mörder".

Wladimir Kara-Mursa: Menschliches Leben hat den höchsten Wert

Ilja Jaschin, Andrej Piwowarow und Wladimir Kara-Mursa (v.l.) | Bildquelle: Christoph Reichwein/dpa

Die Entscheidung Deutschlands, einen verurteilten Auftragskiller im Rahmen des Gefangenenaustauschs freizulassen, sei nicht leicht gewesen, so Kara Mursa. "Einfache Entscheidungen gibt es nur in Diktaturen." Aber das menschliche Leben habe für zivilisierte Gesellschaften immer den höchsten Wert.

Kreml-Kritiker Ilja Jaschin meinte, er habe Russland eigentlich nicht verlassen wollen. Es gebe andere schwer kranke politische Häftlinge, deren Rettung dringender gewesen wäre. Gleichzeitig forderte er den Westen auf, sich für eine Freilassung anderer in Russland inhaftierter Kriegsgegner einzusetzen. Er sprach von rund 1.000 Betroffenen.

Der Oppositionelle Andrej Piwowarow bat ebenfalls darum, für Menschen in russischen Straflagern zu kämpfen. Nicht alle Russen stünden hinter Putins Kriegspolitik. Viele hätten aber Angst, hinter Gittern zu landen.

Über dieses Thema berichtet das WDR-Fernsehen auch am Samstag um 18.45 Uhr in der "Aktuellen Stunde".

Unsere Quellen:

  • Pressekonferenz in Bonn am 2.8.2024
  • Associated Press
  • Deutsche Presse-Agentur
  • Agence France Press