Millionen verfolgen die Fußball-EM der Frauen - Nur ein Hype oder mehr?

Stand: 28.07.2022, 19:45 Uhr

Bislang führte der Frauen-Fußball in Deutschland eher ein Schattendasein. Ist es jetzt damit vorbei angesichts der Zuschauerrekorde und der hohen TV-Einschaltquoten bei der Fußball-EM in England?

Sie sind mit viel Engagement und noch mehr Leidenschaft dabei, die Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-EM der Frauen in England. Siege in der Vorrunde, im Viertel- sowie im Halbfinale können sie bereits verbuchen - es läuft rund für das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Und jetzt steht am Sonntagabend (ab 18 Uhr, live in der ARD) das Finalspiel gegen Gastgeber England an. Der Traum vom Sieg bei der Europameisterschaft ist zum Greifen nahe.

Die Spielfreude der deutschen Profikickerinnen bei der EM in England - das Land gilt als Mutterland des Fußballs - zieht viele in ihren Bann. Bei der EM vor vier Jahren in den Niederlanden strömten 240.045 in die Stadien. Diese Zahl wurde schon jetzt übertroffen. Bereits in der Vorrunde zählte die Uefa 248.075 Fans. Die Bestmarke dürfte noch höher ausfallen, wenn erst alle Spiele absolviert sind. Allein zum Finale am Sonntag werden 90.000 Zuschauerinnen und Zuschauer erwartet.

Hohes Interesse dürfte kein Zufall sein

Und auch die TV-Einschaltquoten sind beachtlich. Durchschnittlich 12,187 Millionen Zuschauer und ein Marktanteil von 47,2 Prozent bedeuten eine Rekord-Einschaltquote für dieses Turnier. Holger Dahl von der WDR-Sportredaktion glaubt nicht, dass das hohe Interesse Zufall ist. "Die Einschaltquoten und das allgemeine Interesse sind schon außergewöhnlich gut", sagt Dahl.

Dabei spiele natürlich auch der Erfolg der Frauen-Nationalmannschaft eine Rolle, so Dahl. Ihm zufolge hatte sich der DFB schon 2011 bei der Heim-WM einen Boom erhofft. Den gab es aber nach dem Viertelfinal-Aus nicht. In den zurückliegenden Jahren habe sich indes einiges in der Professionalisierung getan, was den jetzigen Erfolg vorbereitet habe.

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Nur vereinzelt Public Viewing

Abschlusstraining der deutschen Frauennationalmannschaft im Fußball

Aber Erfolg hin, Erfolg her - die öffentliche Begeisterung für den Frauen-Fußball scheint noch nicht so groß zu sein wie die für den Männer-Fußball. Aktuell läuft mit der EM ein europäisches Turnier - doch was ist mit Public Viewing, mit Fähnchen und Fanmeilen? Einzelne Kneipen bieten Public Viewing an, größere Veranstaltungen gibt es kaum. Und auch ein Meer von Fähnchen ist rar, ganz zu schweigen von Fanmeilen.

Frauen-Fußballprofis schlechter bezahlt als Männer

Jubel bei der deutschen Nationalmannschaft der Frauen nach EM-Sieg gegen Dänemark

Auch in anderer Hinsicht ist der Frauen-Fußball in Deutschland noch nicht so weit entwickelt. Die Kickerinnen sind längst nicht so gut bezahlt wie ihre männlichen Kollegen, man müsse sich als Profispielerin in jedem Fall beruflich ein zweites Standbein aufbauen, sagt Annalena Rieke, Spielerin beim SGS Essen Schönebeck, dem WDR.

Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft der Frauen nach dem Spiel gegen Österreich

Doch wer weiß, womöglich bekommt der Frauen-Fußball durch die EM einen neuen Schub. Der Hype, den das Turnier entfacht hat, legt dies jedenfalls nahe. Doch wie nachhaltig ist die Begeisterung der Zuschauerinnen und Zuschauer? "Das muss jetzt die Zeit nach der EM zeigen", erklärt Holger Dahl. Aus seiner Sicht wäre es schön, wenn begeisterte TV-Zuschauerinnen und Zuschauer auch mal in die Bundesliga-Stadien zu den Spielen der Frauen gingen. Und spannend sei auch, ob wirklich mehr Mädchen in die Fußballvereine kommen.

Dort ist leider die Infrastruktur noch nicht überall so gut, dass es ausreichend Mannschaften für sie gibt, oder sie in gemischte Teams gut integriert werden. "Es gibt die Chance für nachhaltigen Erfolg, aber auch noch jede Menge Fragezeichen", so Dahl.

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