Wer eine (schwere) Straftat begeht und verurteilt wird, muss die Strafe absitzen. Doch wo wird die Person untergebracht? Der "Fall Höxter" und die "Foltermorde" zeigen: Wo Straftäter oder Täterinnen eingesperrt werden, hängt von vielen Faktoren ab.
Der "Fall Höxter im Überblick:
- Der Fall sorgte zwischen 2016 und 2018 für bundesweites Aufsehen.
- Wilfried und Angelika W. gingen als das "Folterpaar" von Höxter-Bosseborn in die Kriminalgeschichte ein.
- Beide hatten gemeinsam in seinem Haus jahrelang Frauen gequält, zwei der Opfer starben.
- Das Landgericht Paderborn sprach beide unter anderem wegen Mordes durch Unterlassen schuldig.
- Wilfried W. erhielt elf Jahre Haft, Angelika W. 13 Jahre.
- Während sie ihre Strafe im "normalen" Gefängnis absitzt, kam er in eine Klinik für forensische Psychiatrie.
- Eine Gutachterin attestierte ihm verminderte Schuldfähigkeit - doch das war möglicherweise falsch.
- Der 53-Jährige wurde also verlegt - vom Maßregelvollzug (also der psychiatrischen Klinik) in den "normalen" Strafvollzug.
- Er könnte also nach Verbüßen seiner Haftzeit auf freien Fuß kommen.
- Die Staatsanwaltschaft will das verhindern und hat die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beantragt.
Die Justizvollzugsanstalt
Eine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt (kurz: JVA) ist so ausgerichtet, dass diejenigen, die sie absitzen, resozialisiert und auf ein anschließendes straffreies Leben in Freiheit vorbereitet werden sollen. In der JVA werden Untersuchungs- und Strafgefangene untergebracht, auch eine Ersatzfreiheitsstrafe oder Ordnungshaft kann in einer JVA abgesessen werden. Außerdem kommen Sicherungsverwahrte hier unter.
Die Sicherungsverwahrung
Die Sicherungsverwahrung wird immer dann angeordnet, wenn Richterinnen oder Richter in den Verurteilten eine Gefahr für die Gesellschaft sehen. Juristen sprechen hier von einer "vorweggenommenen Gefahrenprognose". Eine Art Vorsichtsmaßnahme also, weil begründeter Verdacht besteht, dass der oder die Verurteilte eine ähnlich schwere Straftat noch einmal begehen könnte.
Es müssen aber nicht unbedingt besonders schwere Straftaten, wie etwa Mord oder Totschlag, verübt worden sein, damit eine Sicherungsverwahrung in Betracht gezogen wird. Auch wer mehrfach etwa eine gefährliche Körperverletzung begangen hat und zu einer Haftstrafe von über zwei Jahren verurteilt wird, kann theoretisch anschließend in Sicherungsverwahrung kommen.
Die Sicherungsverwahrung wird in der Regel schon mit dem Urteil angeordnet. Das bedeutet, dass ein Täter auch nach Absitzen der Freiheitsstrafe nicht direkt wieder freikommt, sondern in eine Art gelockerten Vollzug übergeht. Der Täter oder die Täterin hat dann zwar mehr Freiheiten und darf beispielsweise mehr Geld verdienen. Eingesperrt ist die Person aber trotzdem und das in der Regel bis ans Lebensende.
Laut WDR-Rechtsexperte Philip Raillon ist das besondere in dem Fall in Höxter, dass die Staatsanwaltschaft nachträglich den Antrag gestellt hat, die Sicherheitsverwahrung anzuordnen. Das Gesetz sehe die nachträgliche Anordnung ausdrücklich vor. Allerdings, wie hier, nur für Fälle, in denen ein Verurteilter erst im Maßregelvollzug sitze und dann den Rest der Zeit in der JVA absitzt. Schon diese Konstellation dürfte aus Sicht von Raillon nicht alltäglich sein.
Für die Sicherungsverwahrung gibt es zwar eine erste Obergrenze von zehn Jahren. Wenn aber nach zehn Jahren Gutachter die Einschätzung abgeben, dass der oder die Sicherungsverwahrte immer noch eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt, kann die Verwahrung unbefristet verlängert werden.
Der Maßregelvollzug
Der Maßregelvollzug ist ein psychiatrisches Krankenhaus, keine JVA und daher auch kein Gefängnis. Es handelt sich um eine Klinik für forensische Psychiatrie, die besonders gesichert ist. Täterinnen und Täter kommen nur dann hier unter, wenn dies vom Gericht gesondert angeordnet wird. Das sind Fälle, bei denen jemand schuldunfähig oder vermindert schuldfähig ist. Wenn der Täter oder die Täterin psychisch krank ist, geht es nicht in die JVA, sondern in den Maßregelvollzug. Es gibt verschiedene Voraussetzung für eine Maßregelanordnung:
Etwa dann, wenn das Opfer des Täters seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder gefährdet wurde. Nötig ist auch, dass das Gericht zu dem Urteil kommt, dass zu erwarten ist, dass die Allgemeinheit auch künftig durch den Täter oder die Täterin gefährdet sein wird. Aus dem Maßregelvollzug entlassen wird man in der Regel nur, wenn ein Arzt bescheinigt, dass der Mensch beispielsweise nicht mehr unter der psychiatrischen Erkrankung leidet. Ob ein Verurteilter weiter im Maßregelvollzug bleibt, wird jährlich von den Gerichten, sogenannten Strafvollstreckungskammern, überprüft.
Der Maßregelvollzug ist für Patientinnen und Patienten unter Umständen fast ein größeres Übel als die JVA, sagt Philip Raillon, Rechtsexperte des WDR. Wer im Knast sitze, wisse wenigstens, wann er perspektivisch wieder rauskommt - spätestens dann, wenn die Haftstrafe abgesessen ist. Beim Maßregelvollzug sei es für die Patienten ungleich schwerer:
Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels schrieben wir im Zusammenhang des Maßregelvollzugs von "Insassen". Dieser Begriff wurde durch die Bezeichnung "Patientinnen und Patienten" ersetzt. Der Begriff "Psychiatrische Klinik" wurde ersetzt durch "Klinik für forensische Psychiatrie".