Tausende getötete Zivilisten, Zehntausende gefallene Soldaten und gut 300.000 Kriegsversehrte allein auf ukrainischer Seite - die bisherige Bilanz der russischen Invasion in der Ukraine ist verheerend. Die geschätzten Kriegsschäden in dem angegriffenen Land liegen bislang bei über 750 Milliarden Euro. 1.000 Tage dauert Russlands Angriffskrieg an diesem Dienstag. Das Europaparlament kommt heute zu einer Sondersitzung zusammen. Während der Sitzung ist eine Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj per Videoschaltung geplant.
1.000 Tage Ukraine-Krieg: Wie steht es um die Opfer?
Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) geht davon aus, dass es bis zum 30. September 2024 mindestens 11.973 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung gegeben hat, darunter mindestens 650 Kinder. Zudem registrierte das OHCHR aufgrund des Ukraine-Krieges bisher mindestens 25.943 verletzte Zivilisten, darunter 1.686 verletzte Kinder.
Vermutlich liege die tatsächliche Anzahl an Verletzten und Toten in der ukrainischen Zivilbevölkerung wesentlich höher, so das OHCHR. Der Grund: Der Eingang von Informationen aus einigen Orten verzögere sich und viele Berichte seien noch nicht bestätigt.
Auch auf russischer Seite gibt es erhebliche Verluste. Genaue Zahlen liegen zwar nicht vor, aber westlichen Schätzungen zufolge sind inzwischen über 115.000 russische Soldaten gefallen und mehr als eine Million verwundet.
Wie viele Ukrainer sind bislang aus ihrer Heimat geflüchtet?
Wegen des Krieges in ihrem Land sind zahlreiche Ukrainer geflüchtet. Statistikern zufolge waren im Oktober 2024 in den Ländern Europas rund 6,2 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine registriert. Laut anfänglichen Schätzungen gingen EU und UN von Zahlen zwischen vier und über acht Millionen Flüchtlingen insgesamt aus, die in Folge des Kriegs aus der Ukraine fliehen. Weltweit sind im Oktober 2024 rund 6,75 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine registriert.
Wie ist die aktuelle militärische Lage in der Ukraine?
Seit der Eroberung der Festung Awdijiwka bei Donezk zu Jahresbeginn sind die russischen Soldaten etwa 40 Kilometer nach Westen vorgerückt. Die Geländegewinne sind gering, aber stetig. Vor dem Fall steht die strategisch wichtige Stadt Kurachowe im südlichen Donbass. Stark bedroht sind auch Pokrowsk, Tschassiw Jar und Torezk. Im Norden bröckelt die Front entlang des Flusses Oskil. Sollte der wichtige Eisenbahnknoten Kupjansk fallen, dann dürften die russischen Truppen auch Lyman wieder einnehmen und das letzte unter Kiews Kontrolle stehende Ballungsgebiet im Donbass um Slowjansk bedrohen.
Wie steht es um eine mögliche weitere Eskalation des Konflikts?
US-Präsident Joe Biden hat der Ukraine offenbar erlaubt, amerikanische Langstreckenwaffen gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen. Die Ukraine hatte schon lange um die Freigabe gebeten, bisher wurde sie aber verweigert. Laut "Washington Post" soll Bidens Erlaubnis eine Reaktion darauf sein, dass Russland nordkoreanische Soldaten in dem Krieg einsetzt.
Als Reaktion verwies Kremlsprecher Dmitri Peskow laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass auf Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin im September, wonach die Genehmigung zum Einsatz westlicher Waffen gegen Ziele in Russland von Moskau als Kriegseintritt der Nato-Staaten aufgefasst werden würde. Putin hatte für diesen Fall "angemessene Entscheidungen" angekündigt.
Aus diesem Grund liefert Deutschland keine Marschflugkörper, die eine Reichweite von 500 Kilometern haben und dadurch von der Grenze aus sogar Moskau erreichen könnten.
Peskow warf dem Präsidenten der USA zuletzt vor, "Öl ins Feuer" gießen und "weitere Eskalation und Spannungen provozieren" zu wollen.
Wie geht es weiter?
Die angebliche US-Erlaubnis für den Einsatz weitreichender Waffen gegen russisches Territorium hat die deutsche Debatte über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine neu entfacht. Aus den Reihen der Grünen kommt die Forderung, die Raketen nun zu liefern. CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sowie die FDP sind ebenfalls dafür.
Kanzler Scholz sperrt sich seit vielen Monaten dagegen - und führt die Sicherheit Deutschlands als Begründung an. Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner bekräftigte diese Haltung nach mehreren Medienberichten über die US-Entscheidung: "Ja, die Bundesregierung war darüber informiert und nein, es hat keine Auswirkungen auf die Entscheidung des Bundeskanzlers, Taurus nicht zu liefern."
Der künftige US-Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf versprochen, den Krieg gegen die Ukraine innerhalb von 24 Stunden zu beenden. Die Europäische Union fürchtet, dass Trump die milliardenschweren Militärhilfen seines Landes für die Ukraine kürzt und ein Abkommen mit Russland zu Ungunsten Kiews schließt.
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Bisher ist eine Lösung nicht in Sicht. Zunehmend ist aber von Diplomatie zur Beendigung des Kriegs die Rede. Auch Präsident Selenskyj spricht immer häufiger davon. Kanzler Scholz warnt bisher vor einem Diktatfrieden und betont, eine Lösung sei nur im Einvernehmen mit Kiew möglich. Russland warnt, dass der Krieg so lange weitergehe, wie die USA und andere westliche Verbündete der Ukraine weiter Waffen liefern – und Kiew das Ziel ausgebe, Moskau eine strategische Niederlage zuzufügen, damit es nie wieder ein anderes Land angreifen kann.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- Nachrichtenagentur AP
- Nachrichtenagentur AFP