Vor Zoey Vedder sind drei große Bildschirme, ihre Hände fest am Lenkrad, rechts ein Schaltknüppel, links ein Knopf für die Zündung, an ihren Füßen warten Gaspedal, Bremse, Kupplung auf ihren Einsatz. Die 16-jährige Bielefelderin soll abbiegen üben, es ist ihre dritte digitale Fahrstunde. Ihr Fahrlehrer, heute eine männliche Computerstimme, nimmt seinen Job verdammt ernst.
Fahrfeedback durch die Maschine
"Vergiss das Hochschalten nicht."
"Wo war der Schulterblick?"
"Du fährst zu langsam."
Knapp ein Drittel aller Fahrschulen in Nordrhein-Westfalen bietet mittlerweile Praxisstunden im Fahrsimulator an. Das schätzt der Fahrlehrerverband Westfalen. Fahrsimulatoren seien lange kein Nischenangebot mehr, heißt es auf Anfrage. Echte Praxisstunden ersetzen solle das digitale Fahren aber nicht.
Fahrsimulator soll Mut machen
Ein schrilles Quietschen stoppt Zoeys Auto. "Zum Schalten musst du die Kupplung ganz durchdrücken", mahnt die Männerstimme. "Es ist doch sehr viel gleichzeitig", sagt Zoey. "Bremsen, Gas, Kupplung, Schauen, Schalten. Ich vergess meistens, irgendwo hinzugucken."
Fahrschülerin Zoey Vedder und Fahrschul-Angestellte Ela Titz am Simulator
"Die sollen mutiger werden", sagt Ela Titz, die den Fahrsimulator in- und auswendig kennt. Mit ihrem Mann betreibt sie in Bielefeld-Brackwede die Fahrschule "Fahren mit Spaß". Auch wegen ängstlicher Fahrschüler haben sie sich vor drei Jahren den Fahrsimulator angeschafft. Mit Erfolg: Zwei Drittel fahren mittlerweile bei Titz digital, bevor sie sich auf die Straße wagen.
"Du hast den Blinker vergessen."
"Das war der falsche Gang."
"Ich wollte eigentlich in eine andere Richtung fahren. Konzentriere dich bitte beim nächsten Mal."
Schnelle Fortschritte bei Fahrschülerin
Zoey lässt sich nicht entmutigen – und meint, schon viele Fortschritte zu bemerken. "Mein Gefühl für Geschwindigkeit verbessert sich. In meiner ersten Stunde musste ich Slalom fahren, da bin ich sehr schnell durch die Kurven und habe zu sehr gegengelenkt." Den gleichen Fehler zweimal hintereinander zu machen, sowas ärgere sie am meisten.
Zoey kommt an eine Kreuzung, gewährt Vorfahrt und biegt – auf Anweisung – vorsichtig rechts ab. "Toll gemacht" sagt die Männerstimme. Ein Lob? Ganz ungewohnt, vom digitalen Fahrlehrer. Zoey grinst und wirkt ein bisschen stolz.
Die große Angst vor der Kupplung
Wovor haben die Fahrschülerinnen und Fahrschüler so große Angst, dass sie sich nicht ins Auto trauen? "Im vollen Verkehr den Motor abzuwürgen", sagt Titz. Peinlich, denken da viele. "Am Simulator können sie ihn abwürgen lassen, so viel sie wollen." Manche hätten aber auch Unfälle erlebt und könnten sich durch den Simulator dem Auto langsam annähern.
Viele Fahrschüler lernen am Simulator
00:31 Min.. Verfügbar bis 19.07.2025.
Zoey hat keine Angst, ärgert sich aber über ihre Heimatstadt. "Wenn ich mir überlege, dass ich hier durch Bielefeld fahren muss mit den ganzen Baustellen, da habe ich gar keine Lust drauf." Eine Baustellen-Lektion kennt der Fahrsimulator aber nicht. "Das wäre dann das Bielefeld-Special."
Digitale Auswertung zeigt Fahrschwächen
Zoey löst den Gurt und stemmt sich aus ihrem Sitz. "Tschau, bis zum nächsten Mal", sagt die Männerstimme. Zoeys Fazit: "Abbiegen klappt jetzt auf jeden Fall schon sehr viel besser." Eine digitale Auswertung zeigt: Zoey fährt gut, nur die Punkte "Verhalten in Vorfahrtssituationen" und "Verkehrsüberwachung" findet der Computer noch verbesserungswürdig.
Schon Anfang August möchte Zoey ihre erste richtige Fahrstunde absolvieren. Warum sie unbedingt einen Führerschein braucht, da muss Zoey nicht lange überlegen. Nach dem Abi will sie ein Jahr lang Rettungswagen fahren. Aber die erste Fahrt geht zur Oma ins Sauerland, sagt sie. Die hat nämlich den Führerschein bezahlt.