Studie: Einsamkeit - das Gefühl einer ganzen jungen Generation?

Stand: 24.11.2023, 06:00 Uhr

Seit langem diskutiert die Politik über Einsamkeit als wachsendes Problem – gerade bei älteren Menschen. Betrifft es auch schon Jugendliche und junge Erwachsene? Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum soll dazu heute Antworten geben.

Von Raphael Markert

Eine junge Frau liegt in einem abgedunkelten Zimmer. Im Arm hält sie eine Katze mit weißem Fell. Sie weint. Ein weißer Schriftzug blendet sich ins Bild: "Wie es sich anfühlt keine Freunde zu haben?", steht da, in diesem Video, das die junge Frau auf der Onlineplattform "TikTok" veröffentlicht hat.

Nur wenige Klicks weiter eine ebenso junge Frau. "Leute", sagt sie. "Es gibt nichts Wertvolleres wie Menschen an der Seite zu haben, die da sind. Und die fehlen mir. Nicht seit heute, nicht seit gestern, sondern schon sehr, sehr lange."

Videos wie diese gibt es viele auf "TikTok", über dieses Gefühl, das sie alle hier genauso nennen: Einsamkeit. Das Gefühl einer ganzen jungen Generation?

Ein Gefühl, das sie hier alle kennen

Schülerinnen der 12. Klasse des Bonner Friedrich-Ebert-Gymnasium zum Thema Einsamkeit | Bildquelle: Raphael Markert / WDR

In der 12. Klasse am Bonner Friedrich-Ebert-Gymnasium stehen an diesem Tag Sozialwissenschaften auf dem Stundenplan. Eigentlich geht es im Unterricht an diesem Novemberdonnerstag um Wirtschaftstheorien – aber wenn man sie hier fragt, ob auch sie kennen, wie es sich anfühlt, einsam zu sein, nicken fast alle hier mit dem Kopf.

"Wie ein Kloß im Hals", sagt die 17-jährige Lale Charlotte. "Bei mir ist das so, dass dieses Gefühl alle drei Wochen mal kommt", ergänzt ihre Klassenkameradin Clara. "Bei Events, bei denen ich ausgeschlossen bin – bei Partys zum Beispiel. Man sieht auf Snapchat, dass alle da sind – nur ich bin nicht dabei."

Corona hat einsam gemacht – aber auch Social Media

Bei vielen hier, erzählen sie, hat die Pandemie dieses Gefühl verstärkt, das Alleinsein während Corona Freunde aus dem Blick geraten lassen.

Axel Meinhardt, Leiter der psychiatrischen Tagesklinik "Pionierstraße" für Kinder und Jugendliche | Bildquelle: WDR

Auch in der psychiatrischen Tagesklinik "Pionierstraße" für Kinder und Jugendliche in Köln hat der Leiter Axel Meinhardt bemerkt, dass sich junge Leute heute besonders einsam fühlen. Wegen der Pandemie, aber auch, weil Jugendliche sich zunehmend in sozialen Medien verlieren, sagt er. "Weil sie nicht so genau wissen, wie sie damit umgehen sollen, weil sie gar nicht wissen, wer sie eigentlich sind und durch diese Gedankengänge immer introvertierter werden."

Besonders wichtig, sagt der Psychiater, dass junge Menschen ihre Beziehungen aus dem digitalen Raum wieder stärker in reale Begegnungen verlagern. Echte Freunde also – statt sogenannte "Facebook-Freunde"? Diese Frage beschäftigt auch die Schüler am Bonner Friedrich-Ebert-Gymnasium.

"In der Theorie denkt man natürlich: Soziale Medien sind sozial. Man findet mehr Freunde", sagt der 18-jährige Milan. "Aber wenn man sich so rein steigert, dass man nur noch in Sozialen Medien Freunde hat und nicht mehr in der Realität, ist es mental schon anders, weil man diese Freunde ja nicht wirklich um sich hat."

Studie zu Einsamkeit wird vorgestellt

Und auch die Politik beschäftigt das Thema offenbar: In Berlin wird die Einsamkeitsforscherin Prof. Maike Luhmann heute Mittag ihre Studie, die zeigen soll, wie viele junge Menschen von Einsamkeit betroffen sind und warum, vorstellen – gemeinsam mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU).