Nach dem gewaltsamen Tod eines Obdachlosen in Dortmund laufen am Wochenende die Ermittlungen zu den Hintergründen weiter. Ein 13-jähriger Junge soll den 31 Jahre alten Mann am Dortmunder Hafen erstochen haben.
Ein Handyvideo zeige, wie der 13-Jährige mit einem Messer auf den Mann eingestochen habe, hatte die Staatsanwaltschaft bereits am Freitag mitgeteilt. Vor der Tat soll es eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Jungen und dem Opfer gegeben haben.
Immer wieder Fälle von Kinder- und Jugendgewalt
Dortmund, Horn-Bad Meinberg, Freudenberg, Moers, Neuss - es werden immer wieder Fälle von tödlicher Gewalt bekannt, die offenbar von Kindern und Jugendlichen ausging.
Laut der am Mittwoch vorgestellten NRW-Kriminalstatistik 2023 gibt es mehr junge Tatverdächtige. Die Kinder- und Jugendkriminalität nahm demnach um 10,8 Prozent auf 95.300 Fälle zu. Bei Gewaltdelikten wurden knapp 3.300 tatverdächtige Kinder erfasst (plus 15,3 Prozent), bei tatverdächtigen Jugendlichen waren es rund 8.200 (ein Anstieg um 9,2 Prozent).
Zunehmende Brutalität der Taten
In der Statistik sind allerdings nicht nur Tötungsdelikte enthalten. Deshalb die Frage: Gibt es auch eine Häufung von Tötungen durch Kinder und Jugendliche? Nein, sagte die Psychologin Julia von Weiler am Samstag dem WDR. "Aus meiner Wahrnehmung hat nicht die Quantität der Taten zugenommen, aber die Qualität der Taten hat sich verändert."
Wenn es denn zu solchen Taten komme, seien diese oft brutaler als vor zehn Jahren. Mittlerweile würden die Taten auch gefilmt und über Social Media verbreitet, sagte Julia von Weiler. "Da sehen wir tatsächlich eine Veränderung im Täterverhalten."
Gesteigerte Hemmungslosigkeit in der Gruppe
Verschärfend wirkt offenbar zusätzlich die Gruppendynamik. Auch in Horn-Bad Meinberg und in Moers haben die Angreifer ihre Taten gefilmt. Im Fall Moers sollen die Jugendlichen ihr Video sogar im Internet veröffentlicht haben.
In der Gruppe erlebe die Hemmungslosigkeit eine Steigerung, sagte der Psychotherapeut Christian Lüdke dem WDR bereits im Februar. Durch Videos der Taten, die man mit anderen teile, erlebe man Anerkennung.
Schwieriger und langwieriger Lernprozess
Ist so ein Verhalten, wie es dem 13-Jährigen in Dortmund vorgeworfen wird, überhaupt therapierbar? Für Julia von Weiler müssen dafür einige Voraussetzungen erfüllt sein.
In jedem Fall habe ein junger Mensch, der so eine Tat begeht, einen langen Weg vor sich: Er müsse lernen, die Verantwortung für diese Tat zu übernehmen und anders mit Aggressionen umzugehen - und zwar "wirklich vollumfänglich". Auch wenn es gelinge, einen guten Therapieplatz für ihn zu finden, "mit Leuten, die wirklich wissen, wie sie mit solchen jungen Menschen umzugehen haben" - auch dann werde dieser Prozess sicherlich einige Jahre in Anspruch nehmen.
Unsere Quellen:
- dpa
- Interview mit Julia von Weiler in der "Aktuellen Stunde"
- Berichterstattung der WDR-Lokalstudios