Personalmangel: Dramatische Zustände in unseren Kitas

Stand: 21.03.2023, 15:54 Uhr

Die Kinderbetreuung in den Kitas leidet unter erheblichem Personalmangel - auch in NRW. Unsere Kitas stecken in einem Teufelskreis.

Von Oliver Scheel

Es ist scheinbar nur noch ein frommer Wunsch, dass in deutschen Kindertagesstätten die Kleinen eine Top-Betreuung genießen. Wie eine aktuelle Studie des Deutschen Kitaleitungskongresses (DKLK) zeigt, ist der Personalmangel ein großes Problem.

So gaben fast 95 Prozent der befragten Kita-Leitungen an, dass sich der Personalmangel in den vergangenen zwölf Monaten noch verschärft habe. Zudem sei es schwieriger geworden, passendes Personal zu finden. Das habe dazu geführt, dass Menschen eingestellt wurden, die nicht optimal für den Job geeignet sind.

An der Befragung haben 5.387 Kita-Leitungen teilgenommen, so viele wie nie zuvor. Allerdings war der Rücklauf der Fragebögen insbesondere in NRW gering, sodass nicht von einer repräsentativen Umfrage gesprochen werden kann.

Dennoch sind die Zahlen, die die Studie offenbart, heftig. So heißt es, dass "hochgerechnet etwa 10.000 Kitas im letzten Jahr in Deutschland in mehr als der Hälfte der Zeit in aufsichtspflichtrelevanter Personalunterdeckung gearbeitet haben".

Jeden zweiten Tag ist die Sicherheit der Kinder nicht gewährleistet

Anders ausgedrückt: Diese Kitas konnten den Betrieb im Durchschnitt an mehr als jedem zweiten Tag nur unter Gefährdung der Sicherheit der Kinder aufrechterhalten.

Dieser eklatante Personalmangel ist ganz offensichtlich in naher Zukunft nicht zu beheben. Gut 9.000 angehende Erzieher gibt es aktuell in NRW. Um den Rechtsanspruch für alle Kinder erfüllen zu können, bräuchte es laut Bertelsmann-Stiftung in diesem Jahr in NRW aber 25.000 neue Fachkräfte.

Hohe Arbeitsbelastung führt zu noch mehr Kündigungen

Tomi Neckov, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), sprach von "erschreckenden Zahlen, die deutlich machen, dass die Politik ihrer Verantwortung nicht gerecht wird".

Das sieht auch Johanna Groninga von der Mary-Poppins-Kita in Köln so: "Die Gehälter und die Arbeitsbedingungen müssen sich einfach verbessern", sagte sie dem WDR und adressierte ihre Forderungen an die Landes- und Bundesregierung. Die Gruppen seien zu groß, um den Kindern die Aufmerksamkeit geben zu können, die sie brauchen. "Jedes Kind muss aber gesehen werden." Dies sei bei 22 Kindern auf drei Betreuende nicht machbar. Und das schlage sich auch auf die Kleinen nieder, deren Bedürfnisse dann unerfüllt blieben.

Der Personalmangel ist und bleibt der Hauptgrund für die schlechten Zustände in den Betreuungsstätten. Denn er bedeutet eine hohe Arbeitsbelastung, die wiederum dazu führt, dass noch mehr Personal kündigt und sich anderen Berufsfeldern zuwendet.

Kitas im Teufelskreis

So gaben mehr als 80 Prozent der Befragten an, dass sich der Personalmangel negativ auf die Freude an der Arbeit auswirke. Es ist ein Teufelskreis, in den unsere Kitas geraten sind. Je höher die Arbeitsbelastung durch den Personalmangel ist, umso mehr quittieren den Dienst.

Um den Mangel zu decken, holen viele Kitas Personal aus dem Ruhestand zurück. Doch selbst da sei vielerorts das Ende der Fahnenstange schon erreicht.

Missstände auch in NRW

Fast 1.100 Kitas, das geht aus einer Vorlage von NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) hervor, waren im vergangenen Monat von Stundenreduzierungen, Gruppenschließungen oder Komplettschließungen betroffen. "Besserung ist nicht in Sicht", sagte der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dennis Maelzer. Familienministerin Josefine Paul (Grüne) habe "bisher nur halbherzige Maßnahmen ergriffen". Dazu gehöre das "Sofortprogramm Kita", mit dem die Landesregierung laut Paul erste notwendige Maßnahmen ergriffen habe.

Hohe Wertschätzung der Arbeit außerhalb der Politik

Immerhin - und das sei wichtig und erfreulich - erfahren die Kita-Leitungen von allen anderen Akteuren außerhalb der Politik eine sehr hohe Wertschätzung, nämlich von Kindern, Mitarbeitenden, Trägern, Fachberatung und Eltern. "Das stärkt das System von innen. Das dürfen wir aber nicht weiter aufs Spiel setzen. Die frühkindliche Bildung braucht, hier gibt es keine zwei Lesarten, massive Investitionen – jetzt und dauerhaft“, so Tomi Neckov vom Verbandes Bildung und Erziehung (VBE).

Doch die Politik wiegelt ab. Die Landesregierung unterstütze die örtliche Ebene beim weiteren Platzausbau. "Für die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz ist das örtliche Jugendamt im Rahmen seiner Jugendhilfeplanung zuständig", heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage des WDR.

Über dieses Thema berichtet am 21.03.2023 auch die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen.