Cold Cases: Wenn ungeklärte Verbrechen wieder aufgerollt werden
Stand: 19.04.2024, 09:19 Uhr
Die Polizei in NRW hat sich 1.434 ungeklärte Verbrechen nochmals angesehen - sogenannte Cold Cases. Dank neuer Technik können einige Fälle auch noch nach 30 Jahren aufgeklärt werden. Das sei auch wichtig für Angehörige, erklärt ein Ermittler.
Die Essener Polizei hat gerade einen Tatverdächtigen festgenommen. Er könnte einen Raubmord begangen haben. Das Ungewöhnliche an diesem Fall: Die Tat liegt bereits 33 Jahre zurück. Jahrelang blieb der Fall ungelöst, aber nicht vergessen. Man hatte zwar einen Fingerabdruck, konnte ihn aber damals nicht zuordnen.
Mit neuer Technik gelang dies nun. Die Spur führte die Ermittler über einen Treffer in einer polnischen Datenbank nach über drei Jahrzehnten zum Tatverdächtigen in NRW. Die Ermittlungen sind der Erfolg der sogenannten Cold Case Einheit. Dabei rollen ehemalige Ermittler alte ungelöste Mordfälle (Cold Cases - erkaltete Fälle) wieder auf.
Rentner-Cops - eine ganz besondere Einheit
Wenn die Spuren nicht ausreichen oder Zeugen fehlen, bleiben Kriminalfälle ungelöst. In NRW wurde 2021 speziell für solche Fälle eine eigene Kriminaleinheit gegründet.
Sorgsam aufbewahrt: Altfälle im Aktenregal
Sie bestand aus pensionierten Ermittlern und Ermittlerinnen, die die erkalteten Fälle analysierten. Sie überprüften, ob es in den jeweiligen Fällen erfolgversprechende und neue Ermittlungsansätze geben könnte.
Die 28 pensionierten Ermittler waren zwischen 62 und 65 Jahre alt und haben unterschiedliche berufliche Hintergründe als ehemalige Todesermittler, Kommissariatsleiter, Vermisstensachbearbeiter oder als Experten der Kriminaltechnik.
Damit leisteten die Pensionäre eine wichtige Vorarbeit. Rentner-Cops nannten sie sich selbst scherzhaft. Ihre Bilanz bis 2023: In etwa 400 der 1.134 ungeklärten Tötungsfälle in NRW konnten sie tatsächlich neue Ermittlungsansätze gewinnen.
DNA-Analysen und europaweite Datenbanken
Colin Nierenz vom Landeskriminalamt NRW
Auch in Köln konnte nach Jahrzehnten ein Fall um eine getötete Frau aufgeklärt werden. Wie, das erklärt Colin Nierenz vom Landeskriminalamt im Gespräch mit dem WDR. Er hat von 2021 bis 2023 die Aufbauorganisation Cold Cases geleitet. "Wir haben neue Techniken angewandt, zum Beispiel die DNA-Analyse. Wir konnten an den damals sicher gestellten Gegenständen noch die DNA des Täters feststellen."
Heute habe man längst die Möglichkeit, Fingerabdrücke zu digitalisieren und dann europaweit automatisiert abzugleichen. "Jeder, der europaweit schon mal erkennungsdienstlich behandelt wurde, ist in dieser Datenbank."
Aufklärung ist auch wichtig für Angehörige
Akte eines ungeklärten Mordfall
Auch für Angehörige sei ein gelöster Fall ganz entscheidend - auch wenn es 30 Jahre dauert. "Wenn ein Mensch stirbt, ist das so ziemlich das Schlimmste, was uns passieren kann." Besonders schlimm sei es, wenn man nicht wisse, warum ein Mensch gestorben sei und woran.
"Wenn sie einmal bei Angehörigen gesessen haben, werden sie das nie vergessen. Das sind wirklich ganz eindrückliche Momente", erzählt Colin Nierenz. "Wir als Polizei wollen den Menschen die Gewissheit geben, was mit ihren Angehörigen passiert ist. Das ist ein Auftrag, den jeder Polizist in sich spürt."