Neues Cannabis-Gesetz: NRW-Justizbehörden fürchten Überlastung

Stand: 16.02.2024, 15:25 Uhr

Die vom Bund geplante Legalisierung von Cannabis sorgt für Ärger bei den Justizbehörden der Länder - auch in NRW. Womöglich müssen tausende Verfahren neu aufgerollt und Häftlinge entlassen werden.

Von Peter Hild

Mit dem neuen Cannabis-Gesetz, das zum 1. April in Kraft treten soll, werde die Strafvollstreckung nach derzeitigem Stand "unzulässig", bestätigte das von den Grünen geführte NRW-Justizministerium am Freitag dem WDR. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung berichtet.

"Konkret bedeutet dies, dass zu dem Stichtag des 01.04.2024 sämtliche entsprechende Inhaftierte freizulassen sind und die Geldstrafenvollstreckung einzustellen ist", heißt es vom Ministerium weiter. Dieses Szenario droht, weil im aktuellen Gesetzesentwurf eine rückwirkende Straffreiheit vorgesehen ist.

Alle Vollstreckungs-Verfahren gegen Personen, die wegen Cannabis-Verstößen in Haft sitzen, müssten neu aufgerollt bzw. bewertet werden. Das könnte kompliziert werden, unter anderem weil viele Häftlinge etwa eine Gesamtstrafe für verschiedene Delikte verbüßen.

Tausende Verfahren müssten neu aufgerollt werden

"Diese von Hand zu leistende Auswertung wird angesichts der Vielzahl von Verfahren – bei größeren Behörden teilweise im hohen vierstelligen Bereich – einen ganz erheblichen Arbeitsaufwand für die Staatsanwaltschaften bedeuten", so ein Sprecher des NRW-Justizministeriums.

Strafverfolger wie der Kölner Oberstaatsanwalt Tim Engel befürchten eine "zeitnahe Überlastung" der Behörden. Er fordert in einem aktuellen Beitrag für das Online-Rechtsmagazin LTO eine großzügige Übergangsregelung, damit die NRW-Justiz den Straferlass bzw. die Neufestsetzung von Strafen "mit der erforderlichen Sorgfalt" umsetzen könne. Oder "den Straferlass an einen Antrag des Verurteilten zu knüpfen – schon um zu verhindern, dass Verfahren angesichts der Flut an zu überprüfenden Akten übersehen werden."

Wirkstoffmenge für Strafbarkeit entscheidend

Cannabis: Wirkstoffgehalt entscheidend | Bildquelle: dpa/ Philipp von Ditfurth

In NRW gibt es kein einheitliches Strafmaß für den Cannabisbesitz. Eine "geringe Menge" bedeutet in NRW aktuell bis zu zehn Gramm, bei der unter Umständen von einem Strafverfahren abgesehen werden kann. Das liegt im Ermessensspielraum der Gerichte. Das gilt auch für jene, die Cannabis nur zum Eigengebrauch in geringem Maß anbauen und konsumieren.

Anders als bei der geringen Menge ist für eine "nicht geringe Menge" nicht die Brutto-Gewichtsmenge entscheidend, sondern der Wirkstoffgehalt der Drogen. Eine "geringe Menge" bedeutet dann: Bis zu 7,5 Gramm THC. Da verschiedene Drogen unterschiedlichen THC-Gehalt haben, zum Beispiel Marihuana in der Regel weniger als Haschisch, gibt es entsprechend unterschiedliche Grenzen, ab wann eine "geringe Menge" bei einem Besitz überschritten wird. 

In der Praxis kann das theoretisch bedeuten, dass der Besitz von 200 Gramm Cannabis in schlechter Qualität, das heißt mit geringem THC-Gehalt, zu einer Einstellung eines Strafverfahrens führen kann, der unerlaubte Besitz von 50 Gramm qualitativ hochwertigem Cannabis zu einer Haftstrafe.

Änderungen am Gesetz noch möglich

Zahlreiche Länder haben im Bundesrat Kritik an der aktuellen Gesetzesfassung geübt und vor möglichen Nebenwirkungen gewarnt, etwa, dass Resozialisierungsprozesse unterbrochen werden könnten. In einer Antwort darauf kündigte die Bundesregierung an, "zu prüfen, ob ein verzögertes Inkrafttreten der Regelung in Betracht komme, um den Vollzugsaufwand in den Ländern zu begrenzen."

Es sind also noch Änderungen am geplanten Cannabis-Gesetz möglich. Final soll es nach den derzeitigen Plänen der Ampelfraktionen Ende März im Bundesrat behandelt werden, damit es zum 1. April in Kraft treten kann.

Unsere Quellen:

  • NRW-Justizministerium
  • Online-Rechtsmagazin LTO
  • Webseite Kanzlei Rosentreter Scholz, Köln
  • Webseite Nikolai Odebralski, Fachanwalt für Betäubungsmittelrecht, Essen