Zwei schwere Unfälle in kurzer Zeit: Wie sicher sind Busreisen?
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Zwei schwere Unfälle in kurzer Zeit: Wie sicher sind Busreisen?
Stand: 29.03.2024, 12:22 Uhr
Zwei Unfälle in NRW und Sachsen werfen die Frage nach der Sicherheit von Reisebussen auf. In den vergangenen Jahrzehnten sind Busse technisch sicherer geworden, es kommt jedoch weiterhin auf das Verhalten von Fahrer und Reisenden an.
Zwei Busunfälle in kurzer Zeit: In der Nacht auf Karfreitag ist ein Reisebus mit einer Gruppe von Berufsschülerinnen und -schülern auf der A44 bei Werl verunglückt. Der Bus kam von der Autobahn ab, kippte über die Leitplanke und fiel auf die Seite. 21 Menschen wurden verletzt, die meisten leicht, eine Person musste schwer verletzt mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Heftiger fiel ein Reisebus-Unfall am Mittwoch auf der A9 bei Leipzig aus: Dort kam ein Flixbus ebenfalls von der Straße ab und fiel auf die Seite. Dabei starben vier Menschen, mehr als 30 wurden verletzt.
Beim Unfall in NRW hat der Fahrer nach ersten Erkenntnissen der Polizei einen Schwächeanfall gehabt, beim Unfall in Sachsen gibt es noch keine Informationen zu einer möglichen Unfallursache.
Die Unfälle werfen die Frage auf, wie sicher eine Reise mit einem Bus ist. Zwei Unfälle in wenigen Tagen seien Zufall, meint Unfallforscher Siegfried Brockmann von der Björn-Steiger-Stiftung im WDR-Gespräch: "Der Reisebus ist ein vergleichsweise sicheres Verkehrsmittel." Im vergangenen Jahr seien 16 Menschen mit dem Reisebus tödlich verunglückt, 20 seien bei einem Unfall mit dem E-Scooter gestorben. Vergleiche man die gefahrenen Kilometer von Bussen und PKW, hätten beide Fahrzeuge etwa gleich viele Unfälle.
Frank Schneider, Experte für Fahrzeugtechnik beim TÜV-Verband, verweist gegenüber dem WDR darauf, dass im vergangenen Jahr 1.183 PKW-Insassen bei Unfällen getötet wurden und schließt daraus: "Reisebusse gehören zu den sichersten Straßenfahrzeugen." Busse seien sicherer als PKW.
Der TÜV-Verband veröffentlicht alle zwei Jahre einen Report über den technischen Zustand der Reise- und Linienbusse in Deutschland. Im Report von 2022 kommt der TÜV zu dem Schluss, "dass sich die Sicherheit von Bussen stetig verbessert". Demnach schaffen 82,9 % aller Busse die Hauptuntersuchung (HU) nach fünf Jahren ohne Mängel. 2020 habe diese Zahl noch 7,1 Prozentpunkte niedriger gelegen, so der TÜV-Verband.
Seit fast zwanzig Jahren Anschnallpflicht in Reisebussen
In den vergangenen Jahrzehnten ist viel passiert, um Reisen mit dem Bus sicherer zu machen. So muss zum Beispiel in allen Bussen, die ab Oktober 1999 gebaut wurden, an jedem Platz ein Beckengurt vorhanden sein. EU-weit gilt seit 2006 eine Anschnallpflicht in Reisebussen. "Der Fahrer muss die Fahrgäste zu Beginn der Fahrt auf die Gurtpflicht hinweisen", erklärt Frank Schneider vom TÜV-Verband.
Reisende würden sich aber nicht immer konsequent anschnallen, bemängelt Heiner Sothmann von der Deutschen Verkehrswacht gegenüber dem WDR: "Nach vielen Kilometern, gerade wenn Jugendliche dabei sind: Wenn die stundenlang unterwegs sind, ist der Bewegungsdrang groß." Fahrer und Begleitpersonen könnten die Anschnallpflicht nicht durchgängig kontrollieren. Unfallforscher Brockmann weist auf die Notwendigkeit des Anschnallens hin: Wenn der Bus wie bei den Unfällen in dieser Woche auf die Seite falle, werde man nicht aus dem Sitz geschleudert. Kopfverletzungen könnten so verhindert werden.
Notbremsassistenten und Müdigkeitswarner sollen Busfahrern helfen
Busfahrerinnen und -fahrer bekommen seit einigen Jahren verschiedene Fahrassistenzsysteme an die Seite. So müssen seit 2015 neu zugelassene Busse einen Notbremsassistenten haben. "Diese Assistenzsysteme sollen den Fahrer warnen, wenn das Fahrzeug zu dicht auf ein anderes Fahrzeug auffährt", so Fahrzeugtechnik-Experte Schneider. In diesen Fällen gebe es ein akustisches Signal, es werde eine Warnung auf dem Display im Armaturenbrett angezeigt oder das Lenkrad mache eine kurze Bewegung.
Schneider weist außerdem darauf hin, dass seit 2022 schrittweise Müdigkeitswarner eingeführt werden. Ab Juli dieses Jahres müssen sie demnach in allen neu zugelassenen Fahrzeugen eingebaut sein. Ein Müdigkeitswarner funktioniere über mehrere Systeme, so der TÜV-Experte: Eine Kamera nehme die Pupillen- und Lidbewegungen des Fahrers auf, gleichzeitig würden Lenkbewegungen gemessen. Gebe es dabei Auffälligkeiten, werde der Fahrer gewarnt.
Heiner Sothmann von der Deutschen Verkehrswacht warnt davor, sich auf solche Assistenzsysteme zu verlassen: "Es ist als Unterstützung gedacht, damit man möglichst schnell reagieren kann, wenn es brenzlig wird." Gleichzeitig sei sich die Verkehrswacht der Belastung der Fahrerinnen und Fahrer bewusst.
Gesetzlich festgelegte Arbeits- und Pausenzeiten für Busfahrer
Diese Belastung wird allerdings gesetzlich eingegrenzt: EU-weit gibt es feste Lenk- und Ruhezeiten. Fahrerinnen und Fahrer dürfen pro Tag maximal neun Stunden einen Bus steuern. Nach viereinhalb Stunden müssen mindestens 45 Minuten Pause eingelegt werden. Wenn man die maximale Geschwindigkeit von Bussen und die vorgeschriebenen Lenkzeiten miteinander verrechne, müsse bei mehr als 800 Kilometern ein zweiter Fahrer dabei sein, heißt es vom TÜV.
Unfallforscher: Wenn ein Bus umfällt, ist Aussteigen fast unmöglich
Bei den Unfällen in NRW und Sachsen sind die Busse jeweils auf die Seite gekippt. In diesem Fall sei das Aussteigen für die Reisenden fast unmöglich, so Unfallforscher Brockmann, weil der Bus auf der Türseite liege und die Seitenfenster zu hoch seien. Gleichzeitig könne man die Frontscheibe nicht einschlagen, weil sie aus Sicherheitsglas bestehe. "Meiner Meinung nach müsste die Frontscheibe mit einem Sprengschlauch heraussprengbar sein", regt Brockmann an. So könnten auch Rettungskräfte zügiger an die Verletzten herankommen.
Über dieses Thema berichtet auch die Aktuelle Stunde im WDR Fernsehen um 18:45 Uhr.