"Egal, was meine Wähler denken": Warum Baerbock kritisiert wird

Stand: 02.09.2022, 15:34 Uhr

Außenministerin Baerbock hat diese Woche ihre Solidarität mit der Ukraine bekräftigt, "egal, was meine deutschen Wähler denken". Das Zitat hat teilweise für Empörung gesorgt. Was steckt dahinter?

Von Christina Höwelhans

Am Mittwoch war Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Prag. Dort hat sie sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus der EU getroffen und bei der Veranstaltung "Forum 2000" über den Krieg in der Ukraine diskutiert. Ein Halbsatz von ihr macht jetzt die Runde: "egal, was meine deutschen Wähler denken".

Ukraine über Deutschland gestellt?

Ist Baerbock egal, wie ihre eigenen Wähler oder sogar die deutsche Bevölkerung insgesamt denken? Darüber wird unter anderem bei Twitter diskutiert. Baerbock hat den Halbsatz gesagt, als sie ihre Unterstützung für die Ukraine zugesagt hat. Die Debatte dreht sich jetzt darum, ob Baerbock die Ukraine über Deutschland stellt.

Befeuert wird der Vorwurf dadurch, dass sich zunächst ein falsches Zitat verbreitet hat: "egal, was die deutschen Wähler denken". "Die" statt "meine" weitet Baerbocks Aussage auf die gesamte deutsche Wählerschaft aus. Der Bayerische Rundfunk hat im Format #Faktenfuchs nachgezeichnet, wie das Zitat zunächst falsch in den sozialen Medien gelandet ist und nun dort diskutiert wird:

Das gesamte Zitat von Baerbock lautet übersetzt so (die Veranstaltung war auf Englisch):

"Denn wenn ich als Politikerin das Versprechen gebe - und glücklicherweise gibt es in einer Demokratie die Möglichkeit, dass die Leute mir widersprechen und in vier Jahren sagen: 'Sie haben uns nicht die Wahrheit gesagt' -, aber wenn ich dieses Versprechen an die Ukrainer gebe: 'Wir stehen so lange an eurer Seite, wie Ihr uns braucht', dann möchte ich auch liefern, egal, was meine deutschen Wähler denken, aber ich möchte für die ukrainische Bevölkerung liefern." Annalena Baerbock

Baerbock sagt zu, dass sie zu ihrem Versprechen steht: So lange an der Seite der ukrainischen Bevölkerung zu stehen, wie es notwendig ist. Sie möchte sich nicht von einem Stimmungswandel unter ihren Wählern beeinflussen lassen - so kann man ihre Aussagen interpretieren. Gleichzeitig betont sie, dass es in Deutschland die Möglichkeit gibt, Politikern bei Wahlen nicht mehr die Stimme zu geben und dadurch Unzufriedenheit mit ihrer Arbeit deutlich zu machen.

Baerbock erklärt später in ihrem Statement den Balanceakt zwischen der Hilfe für die Ukraine und den Herausforderungen in Deutschland:

"Und wir haben nun die Winterzeit vor uns, wo wir als demokratische Politiker vor der Herausforderung stehen, dass die Bürger auf die Straße gehen werden und sagen: 'Wir können unsere Energierechnungen nicht mehr bezahlen'. Und ich sage: 'Ja ich weiß, und wir helfen euch mit Sozialmaßnahmen', aber ich will nicht sagen, 'Ok, dann stoppen wir die Sanktionen gegen Russland'." Annalena Baerbock

Die Außenministerin beendet ihr Statement mit einer Zusage auch an die deutsche Bevölkerung:

"Wir bleiben solidarisch mit den Menschen in unserem Land, genau wie wir an der Seite mit jedem in der Ukraine stehen." Annalena Baerbock

WDR-Hauptstadtkorrespondent: Baerbock zeigt Haltung

WDR-Hauptstadtkorrespondent Philipp Menn weist darauf hin, dass Bürgerinnen und Bürger oft fordern, dass Politiker eine klare Haltung zeigen sollen: "Das hat Baerbock mit ihrer Aussage gemacht." Das müsse ja nicht jedem gefallen, so Menn. Er geht aber davon aus, dass sich Baerbocks eigene Wähler nicht groß daran stören.

Tatsächlich stellt sich im aktuellen ARD-Deutschlandtrend eine große Mehrheit der Grünen-Anhänger hinter die Ukraine-Politik der Bundesregierung: 90 Prozent sprechen sich für die Russland-Sanktionen aus, auch wenn dadurch die Energiepreise in Deutschland steigen.

Kanzler und CDU stellen sich hinter Baerbock

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich hinter seine Außenministerin gestellt: Über seinen Regierungssprecher ließ er verkünden, es sei Aufgabe der Bundesregierung, "für die Politik, die man vertritt, zu werben, auch in Zeiten, in denen es mal Gegenwind gibt". Da sei der Bundeskanzler "ganz eng an der Seite der Außenministerin und auch aller anderen Ministerinnen und Minister", sagte Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin. Baerbock habe deutlich gemacht, dass man "auch bei Gegenwind nicht umfällt". Dies sei in dem Schnipsel des Videos mit der umstrittenen Äußerung etwas kurz gekommen.

Baerbock bekommt auch Unterstützung aus dem gegnerischen politischen Lager. So hat Karin Prien, Mitglied im CDU-Bundesvorstand, u.a. getwittert: "Die (Desinformations-)Kampagne von extremen Rechten und Linken gegen @ABaerbock ist unterirdisch. Volle Solidarität."

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