Wenn man Josef Bolz fragt, was er unternimmt, um neue Azubis zu finden, holt er erstmal tief Luft. Acht Auszubildende hat er für das neue Lehrjahr gefunden - "und das war ein echter Kraftakt", sagt der 46-Jährige, der ein Autohaus in Pulheim betreibt.
"Vor allem geht es darum, attraktiv zu erscheinen - anders als andere Arbeitgeber", erklärt Bolz. "Das geht los mit dem äußeren Erscheinungsbild": Regelmäßig postet er zum Beispiel Videos über seinen Betrieb auf Instagram, Facebook oder Tiktok. Darin fährt schonmal ein Firmenauto in den Probenraum der Kölschen Band Brings, auch Karneval ist oft Thema - "wir wollen zeigen, dass wir zu unserer Region stehen".
"Drei Volltätowierte im Poloshirt"
Geht Bolz auf Werbetour in Schulen, auf Jobmessen oder an Infoständen, dann gelte es, jung rüberzukommen: "Wir stehen dann da mit drei Volltätowierten im Poloshirt, auf keinen Fall im Anzug". Melden sich Bewerber, müsse man sich mit jedem einzelnen individuell beschäftigen, um ein attraktives Angebot machen zu können: "Was braucht der? Ein Jobticket, ein Jobrad, einen Führerschein?".
Für einen afghanischen Bewerber organisierte Bolz einen Sprachkurs und kümmerte sich um eine Aufenthaltsgenehmigung. Die jungen Interessenten müssten direkt erkennen können: "Hey, hier wird viel für dich getan, hier bist du richtig".
Außerdem wichtig sei es, den Azubis eine Perspektive zu bieten: Wer gut ist, bekommt die Garantie auf eine Festanstellung nach der Lehre.
Der Aufwand scheint sich zu lohnen: 90 Prozent seiner Azubis seien geblieben, sagt Bolz, die Hälfte seiner rund 45 Mitarbeiter hat er selbst ausgebildet.
Vom Ausbildungs- zum Bewerbermarkt
Das Feuerwerk von Maßnahmen, das Bolz abfackelt, entspricht mittlerweile so ungefähr dem Standard, den Arbeitgeber auf die Beine stellen müssen, die auf Bewerbungen hoffen. Innerhalb weniger Jahre habe sich der Ausbildungsmarkt in NRW in einen "Bewerberinnen- und Bewerbermarkt" umgewandelt, hatte Roland Schüßler, Geschäftsführer der Bundesagentur für Arbeit in NRW, bereits Ende vergangenen Jahres festgestellt. Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz seien für Bewerber "so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr".
40.000 Ausbildungsplätze sind zum Start des neuen Ausbildungsjahres in NRW noch unbesetzt. Und mehr als 37.000 Menschen suchen noch einen Ausbildungsplatz.
Viele Unternehmen, die Auszubildende wollen, suchen ständig nach überraschenden Ideen: Die erste Bewerbung kann per Whatsapp-Audio eingereicht oder mit den wichtigsten Fakten auf einen Bierdeckel notiert werden. Die Gerüstbaufirma Bönninger in Dortmund wirbt mit dem Slogan "Wir scheißen auf Deine Zeugnisse".
Zeugnisse seien ihm tatsächlich egal, sagte Geschäftsführer Andreas Bönninger dem WDR. "Wenn einer Schwierigkeiten hat in Deutsch, vielleicht eine fünf oder sechs, heißt das ja nicht, dass das kein guter Handwerker, kein guter Malocher ist."
Auch Bönninger zeigt auf Youtube ein knackig geschnittenes Video, das den Beruf des Gerüstbauers als spannende Herausforderung, als verantwortungsvolle Arbeit im Team darstellt. Zusätzlich wirbt die Firma mit Belohnungen: 1.500 Euro winken den Azubis für jede eins auf dem Abschlusszeugnis.
Eigener Song: "Menschen mit Profil"
Bei Reifen Stiebling in Herne bekommen die Azubis einen Zuschuss von 1.000 Euro für den Führerschein, Bewerbungen können auf einem Bierdeckel abgegeben werden. Auf der Homepage wird außerdem mit zahlreichen Events neben der Ausbildung geworben: Gemeinsame Ausflüge, Kirmes - oder Festivalbesuche. Außerdem gibt es auf Youtube einen selbstproduzierten Song zur Firmengeschichte: "Menschen mit Profil".
Inspiration aus Schleswig-Holstein: Freiwilliges Handwerkerjahr
Für viele junge Menschen ist die Frage, wie es nach der Schule beruflich weiter gehen könnte, zunächst einfach nur ein großes Fragezeichen. In Lübeck bietet die Handwerkskammer zur Orientierung ein freiwilliges Handwerkerjahr an: Jeweils drei Monate schnuppern Interessenten in insgesamt vier Berufe rein - zum Beispiel beim Friseur, auf dem Bau oder in der Großküche. Monatlich bekommen sie dafür 450 Euro.
Dem 18-Jährigen Ben aus Norderstedt war erstmal nur klar, dass er irgendetwas mit Handwerk machen will. Jetzt macht er das freiwillige Handwerkerjahr, in den ersten drei Monate ist er bei einem Gas- und Wasserinstallateur. Danach geht es zum Elektriker, dann zu einem Stahlbauer und schließlich zu einem Betrieb für Isoliertechnik.
Ihm gefalle die Idee eines freiwilligen Handwerkerjahres, sagte Ben dem WDR, weil er so verschiedene Berufe kennenlerne. "Weil man sich auch selber besser kennenlernt und herausfinden kann, was einem Spaß macht." Wenn ihm ein Job am Ende gefalle, wolle er sich bei der entsprechenden Firma bewerben.
Quellen:
- Interview Ausbilder Jakob Bolz
- Bundesagentur für Arbeit
- WDR-Interview Andreas Bönninger
- WDR-Interview Praktikant Ben
- Homepages Firma Bönninger, Firma Stiebling