Angst vor der Rezession: Droht uns in Deutschland ein Wohlstandsverlust?

Stand: 29.09.2022, 17:56 Uhr

Steuert Deutschland in eine Rezession? Führende Wirtschaftsforschungsinstitute sind davon überzeugt. Sie rechnen damit, dass Privathaushalte über längere Zeit herbe Wohlstandsverluste hinnehmen müssen.

Heizung, Strom, Einkaufen - Verbraucher und Unternehmen in Deutschland stehen wegen hoher Preise vor harten Monaten. "Die Hauptbelastung findet derzeit bei den privaten Haushalten statt, die einen massiven Kaufkraftverlust hinnehmen müssen. Und der wird sich im Laufe des nächsten Jahres noch verstärken", sagte Torsten Schmidt vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung am Donnerstag in Berlin. Schmidt geht ebenso wie andere Vertreter von Wirtschaftsforschungsinstituten davon aus, dass Deutschland in diesem Winter in eine Rezession schlittert.

Was genau ist eigentlich eine Rezession?

Mit Rezession ist ein Rückgang der Wirtschaftsleistung gemeint. Anstatt zu wachsen, schrumpft die Wirtschaft. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen sinkt. Messen lässt sich das am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Von einer Rezession ist die Rede, wenn das BIP zwei Quartale in Folge - im Vergleich zu den vorangegangenen Quartalen - schrumpft.

Und wie schätzen Wirtschaftsforscher aktuell die Lage ein?

Drei Quartale hintereinander werde die Wirtschaft schrumpfen, sagen die Wirtschaftsforscher in ihrem Herbstgutachten voraus. Das wird im zu Ende gehenden Sommerquartal, im Herbst und Anfang 2023 sein. Für das Gesamtjahr 2022 rechnen die Experten wegen des besseren ersten Halbjahrs noch mit einem kleinen Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent, für 2023 gehen sie dann von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent aus.

Wie wirkt sich das auf Privathaushalte aus?

Private Haushalten müssen wegen der gestiegenen Preise mehr Geld für Energie und Lebensmittel ausgeben. Die Teuerungsrate kletterte im September auf 10,0 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit rund 70 Jahren. Die Folge: Verbraucher können sich für ihr Geld immer weniger leisten. Das bremst den Konsum als wichtige Konjunkturstütze.

Ökonom Schmidt rechnet damit, dass Privathaushalte einen massiven Kaufkraftverlust hinnehmen müssen. Und der werde sich im Laufe des nächsten Jahres noch verstärken, glaubt Schmidt.

Welche Folgen hat eine Rezession für den Arbeitsmarkt?

Es kann zu Entlassungen oder Kurzarbeit kommen - weil Unternehmen einen sinkenden Absatz verbuchen. Die Krux: Durch einen solchen Schritt haben betroffene Beschäftigte einen Einkommensverlust, der sich negativ auf das Konsumverhalten und damit auf die Konjunktur auswirkt.

Wie wirkt sich das auf die Psyche aus?

"Der Verlust der Arbeit ist nicht gut für die Psyche, die Gesundheit und das generelle Wohlbefinden", zitiert Quarks den Soziologen Janosch Schobin. Dass eine Rezession Folgen haben kann, zeigt auch ein Blick zurück in die Geschichte. In der großen Depression nach dem Börsencrash von 1929 traten "bei Menschen, die infolge der großen Rezession eine finanzielle, wohnungsbezogene oder berufliche Notlage erlitten, die Symptome von Depressionen, Angstzuständen und problematischem Drogenkonsum häufiger auf", zitiert Quarks den Psychologen Jürgen Margraf von der Ruhr-Uni Bochum.

Generell habe die Forschung immer wieder gezeigt, dass sich Wirtschaftskrisen negativ auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung auswirken können. Mit diesem Wissen können wir aktiv gegensteuern: "Das sollte die Politik in Schutzprogrammen, die auf die Förderung der Genesung abzielen, berücksichtigen“, so Margraf.