Engadin, Silvaplanersee, Sils, Fextal, Persgletscher, Morteratschgletscher, Diavoletzza, Kunst in Susch
Stand: 03.07.2022, 20:15 Uhr
Die Oberengadiner Seenplatte besteht aus vier Seen, die auf einer Höhe von 1.800 Metern fast nebeneinander liegen und von Bergen umgeben sind. Der Silvaplanersee wird auch das "Hawaii der Alpen" genannt: Pünktlich zur Mittagszeit stehen die Kitesurfer am Ufer und warten auf den Malojawind.
Silvaplanersee
Dem Malojawind verdankt der türkisfarbene See zwischen Piz Corvatsch und Julierpass seine Bekanntheit. Denn der beständige Luftstrom bläst täglich ab mittags mit drei bis sechs Beaufort – ideal zum Surfen. Der Malojawind ist ein verkehrter Wind oder Nachtwind des Tages. Normalerweise wehen die Winde in Bergtälern tagsüber nicht talab- sondern talaufwärts. Aber die steilen Berghänge im Bergell erwärmen sich morgens schnellerals die Luft im Tal und sorgen so für ein Wärmetief über dem Malojapass. Die kühle Luft strömt in der Folge ungehindert über den Pass und die Engadiner Seen. Zur Freude der Windsurfer, die von Mai bis Oktober mit bis zu 80 km/h übers Wasser jagen – und im Winter über den zugefrorenen See.
Persgletscher, Morteratschgletscher und Diavolezza
In Morteratsch im Oberengadin liegt der höchstgelegene ganzjährig bewohnte Campingplatz in Europa in einer alpinen Naturlandschaft mit kleinen Bächen. Grandios tritt hinter Pontresina die Berninagruppe mit strahlend weißen Gipfeln in Erscheinung.Unter ihrem Gletschereis hervor fließt ein Bergbach nach Morteratsch – die insgesamt 200 Meter hohen Wasserfälle lassen sich vom Erlebnisweg Cascada de Bernina bestaunen. Von hier hat man einen Blick auf die berühmten Gipfel des Berninamassivs. Peter Käch führt gemeinsam mit seiner Frau den Campingplatz seit 2012. Der begeisterte Paraglider bietet Tandemflüge auch für Touristen an.
Nicht weit vom Campingplatz entfernt befindet sich die Diavolezza, ein Joch in den Bernina-Alpen, von wo aus man Zugang zum Persgletscher und zum großen Morteratschgletscher hat. Früher vereinten sie sich weiter unten. Doch im Sommer 2015 schmolz der Persgletscher so weit zurück, dass die Verbindung abriss. Die Kabelseilbahn ist ganzjährig in Betrieb und fährt weit oberhalb der Baumgrenze auf knapp 3.000 Meter hoch. Aufgrund der Höhe der Bergstation können zwei 3.000er auf markierten Wegen einfach begangen werden: der Sass Queder mit Grillplatzin etwa einer halben Stunde. Auch geführtes Gletscher-Trekking wird angeboten.
Tiefe Gletscherspalten durchziehen die Diavoletzza, ein Joch in den Bernina-Alpen.
Sils – das Dorf der Künstler, Dichter und Philosophen
Viele Künstler und Kreative ließen sich von der fantastischen Weite und dem zauberhaften Licht in Sils inspirieren: Schriftsteller wie Nietzsche, Dürrenmatt und Kästner, Künstler wie Beuys oder Chagall und Musiker wie Strauß und David Bowie. Damit trugen sie wesentlich dazu bei, dass Sils heute als Engadiner Kulturort Weltruf genießt. Von 1881 bis 1888 verbrachte der Philosoph Friedrich Nietzsche die Sommermonate in einem Haus im Ortsteil Sils Maria.Damals war seine Gesundheit bereits angegriffen, dennoch schuf er hier einige seiner bekanntesten Werke, auch die Grundkonzeption für "Also sprach Zarathustra". Und er richtete sich nach seinen Bedürfnissen ein: Sowohl die Tischdecke als auch die Wandtapete ließ er extra anfertigen. Die Farbe Grün wirkte auf ihn besonders beruhigend. Seit 1960 ist das Haus ein Museum und zugleich Forschungsstätte zu Nietzsche, in die man sich als Gast auch für maximal drei Wochen einmieten kann.
In Sils besucht Tamina Kallert das Nietzsche-Museum.
Wandern und Radfahren im autofreien Fextal
Das Fextal ist ein autofreies Seitental des Oberengadins auf rund 1.950 Meter, rund 30 bis 60 Minuten zu Fuß von Sils entfernt. "Val Fex" (Fextal) stammt ursprünglich vom Begriff "feda" ab, was so viel bedeutet wie "Schafe". Bereits um 1303 weideten Schafe im Fextal, und auch heute noch weiden auf den Fexer Alpen jeden Sommer rund 900 Tiere. Das unberührte Tal ist mit seiner wilden Natur vor schneebedeckten Berggipfeln bei Wanderern und Bikern sehr beliebt. Und die Schweizer haben sich auf den Trend "Mountainbiken" eingestellt und viele spezielle Pisten eingerichtet. Nach der Downhill-Fahrt kann man sein schlammverschmutztes Bike in einer Fahrradwaschanlage säubern lassen.
Die meisten Häuser im Fextal werden nur in den Ferien bewohnt. Zu den wenigen Menschen, die das ganze Jahr hier leben, gehört die Familie Rominger auf ihrem Hof Mangiabain. Sie halten Engadinerschafe, die an ihren Rammsnasen und den typischen langen Hängeohrenzu erkennen sind, und sie führen ein kleines Gasthaus. Zu den Spezialitäten von Martina Rominger gehört die Engadiner Nusstorte, bei der die Zutaten alle aus dem Engadin stammen. Roger Rominger schmiedet kostbare Messer aus mehreren Stählen, was die Klingen besonders scharf und langlebig machen soll. Damaszenerstahl erzeugt ein unverwechselbares Muster, das den Schmied an das Gestein im Fextal erinnert.
Das autofreie Fextal ist bei Wanderern beliebt.
Kunst in Susch
Die typischen Häuser im Engadin haben dicke Wände, kleine Fenster und fast immer einen besonderen Fassadenschmuck: Sgrafitto heißt der und wurde aus Italien importiert. Im kleinen Ort Susch im Kanton Graubünden im Unterengadin kann man mehr über diese Technik erlernen. Josin Neuhäusler, der auch sein eigenes Haus selbst verziert hat, gibt halbtägige Workshops in der Putztechnik Sgraffito. Die Zweifarbigkeit entsteht durch das Kratzen und Entfernen der oberen hellen Putzschicht. Sein eigenes Kunstwerk kann jeder mit nach Hause nehmen, da es aus leicht transportierbaren Platten besteht.
Im Engadin sind viele Hausfassaden mit der Putztechnik Sgrafitto verziert.
In einer ehemaligen Brauerei, die mitten in den Stein gebaut wurde, befindet sich das "Muzeum Susch", das den 220-Einwohner-Ort in der internationalen Kunstwelt bekannt gemacht hat. Es wurde von der polnischen Unternehmerin, Kunstsammlerin und Mäzenin Grażyna Kulczyk gegründet und am 2. Januar 2019 eröffnet. Das Muzeum Susch stellt moderne Kunst aus – vor allem von Künstlerinnen aus Osteuropa.
Lesetipps für die Schweiz
Reiseführer und Karten
Silvia Schaub
111 Orte im Engadin, die man gesehen haben muss
Emons Verlag, 4. Aufl. 2023
ISBN 978-3740819996
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Rudolf Weiss, Siegrun Weiss, Christian Weiss
Oberengadin. St. Moritz - Zuoz - Pontresina. 50 Wandertouren
Bergverlag Rother, 10. akt. Aufl. 2022
ISBN 978-3763340422
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KOMPASS Wanderkarte 99 Oberengadin, Alta Engadina 1:40000
Kompass, 3. akt. Aufl. 2023
ISBN 978-3991218074
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Angelika Overath
Gebrauchsanweisung für das Engadin
Piper Taschenbuch, 2. Aufl. 2016
ISBN 978-3492276702
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Reiselektüre
Joachim B. Schmitt
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