Die Insel

Interview mit der Autorin Tamara Milosevic

Stand: 09.01.2014, 00:00 Uhr

Wie haben Sie Kontakt zu den Protagonisten aufgenommen?

Tamara Milosevic: Für die Recherche brauchte ich viel Mut, Zeit und Geduld. Ich wollte die Menschen vor Ort direkt ansprechen. Im Sommer habe ich einige Tage vor dem Hochhaus in Duisburg Rheinhausen verbracht, um die Leute kennen zu lernen und ihnen zu erklären, was ich vorhabe. Zu Beginn waren sie ziemlich misstrauisch, sie konnten mich nicht einordnen, aber große Offenheit war sofort von Seiten der Kinder und Jugendlichen da. Die haben mich dann einfach zu sich nach Hause eingeladen, und so lernte ich deren Mütter und Väter kennen.

Tamara Milosevic

Die Autorin Tamara Milosevic

Standen die Familien den Dreharbeiten dann direkt offen gegenüber?

Tamara Milosevic: Nicht sofort, ein wenig Vorarbeit war schon dabei. Dazu eine kleine Anekdote: Man hatte mir geraten, Gastgeschenke mitzubringen, das habe ich auch gemacht. Alkohol und Zigaretten hieß es. Damit war ich dann aber völlig fehl am Platz, denn die meisten Menschen dort sind sehr gläubig, es wird sehr selten getrunken und geraucht. Ich stand dann ziemlich blöd da mit meiner Investition. Eigentlich haben die Leute Grundnahrungsmittel gebraucht, Milch, Joghurt, Kaffee, Schmand und Kekse. Die habe ich dann als Gastgeschenke mitgebracht. Irgendwann war ich im Hochhaus bekannt wie ein bunter Hund, und dann lief es.

Wie waren die Arbeitsbedingungen vor Ort?

Tamara Milosevic: In der Recherchephase habe ich bewusst ohne Übersetzer gearbeitet. Ich kommunizierte mit den Roma in verschiedenen Sprachen, auf Spanisch, teilweise auf Englisch, ein wenig auf Französisch oder mit Händen und Füßen. Keiner sprach Deutsch, da sie erst seit kurzer Zeit hier waren. Es hat großen Spaß gemacht. Bei den Dreharbeiten war dann ein Übersetzer dabei, der hat seine Arbeit hervorragend gemacht und ist den Menschen sehr einfühlsam begegnet. Die Menschen haben ihm vertraut.

Wo gab es bei Dreh und Recherche die größten Hürden?

Tamara Milosevic: Gleich zum Drehbeginn gab es ein Drehverbot seitens des Hauseigentümers, das wurde uns durch zwei Bodyguards mitgeteilt: Keine Aufnahmen vor und in dem Haus. Das wusste ich zunächst nicht richtig einzuschätzen und hat unsere Arbeit eingeschränkt, aber wir haben uns dadurch nicht abbringen lassen. Auch die Protagonisten waren dadurch anfänglich sehr verunsichert, und die Dreharbeiten haben sich verzögert. Wir haben dann nur in den Wohnungen der jeweiligen Familien gedreht. Um nicht weiter aufzufallen, haben wir mit kleinem Equipment gearbeitet und unsere Technik teilweise mit Lidl-Tüten ins Haus gebracht.

Ein Problem war auch, dass manche Protagonisten im zweiten Drehblock, etwa drei Monate später, schon gar nicht mehr da waren. Sie waren entweder nach Rumänien zurück oder ganz woanders hin, weil ihnen die Lebensunterhaltungskosten in Deutschland zu hoch waren und es keine Aussicht auf Arbeit gab. Sie kamen mit Träumen und bestimmten Vorstellungen und haben dann begriffen, dass auch mancher Duisburger keine Arbeit hat.

(Interview Sabine Coen)