Streetfood: Essen auf die Hand

Stand: 26.07.2018, 12:00 Uhr

Viel mehr als Burger, Currywurst und Co. In Asien sind sie Alltag, in Amerika wurden sie modern und spätestens seit diesem Sommer sind Streetfood-Märkte auch bei uns im Trend. Doch was verbirgt sich hinter Streetfood? Auf seiner kulinarischen Deutschlandreise probiert Björn Freitag das bunte Angebot und lernt die Macher und ihre Geschichten kennen.

Von Stefan Wichmann

Streetfood: Kurz erklärt

Der Begriff Streetfood oder Street Food stammt aus dem Englischen und wurde in den deutschen Sprachgebrauch übernommen. Wörtlich übersetzt, bedeutet er „Essen von der Straße“, was bereits die wesentlichen Charakteristika umschreibt. Denn unter Streetfood sind Speisen zu verstehen, die vorrangig an mobilen Verkaufsständen auf öffentlichen Flächen, auf Märkten oder Festen verkauft werden. Außerdem gibt es inzwischen in vielen deutschen Großstädten spezielle Streetfood-Festivals. Typischerweise kann der Kunde bei der Zubereitung oder Fertigstellung der Gerichte zusehen und diese sofort vor Ort verzehren. Normales Besteck ist dabei oft nicht nötig. Stattdessen werden sie je nach Eigenart auf einem Teller, auf oder in einem Papier/Serviette/Pflanzenblatt eingewickelt oder auf ein Holzstäbchen gespießt.

Burger, Burrito, Falafel, Curry oder Wraps. Im Prinzip eignet sich jede Speise als Streetfood. Doch überraschen viele bekannte Imbiss- oder Fastfood-Klassiker mit neuer Machart oder ungewöhnlichen Zutaten. Die Pommes Frites sind Polenta-Pommes mit Tomatenmarmelade. Der Döner enthält statt Fleisch gebackene Auberginen. Außerdem bringt der neue Trend bisher fremde Genüsse nach Deutschland. Dem Einfallsreichtum der Macher sind keine Grenzen gesetzt, von herzhaft bis süß sind alle Geschmacksrichtungen vertreten.

Typisches Streetfood:

  • Frittierte Speisen: Dazu zählen Klassiker, wie zum Beispiel Pommes Frites, Fish and Chips, Donuts oder Krapfen, aber auch Schokoriegel.
  • Gemüse: in allen Varianten. Häufig anzutreffen sind gekochte oder geröstete Maiskolben oder Ofenkartoffeln.
  • Pfannengerichte: mit Gemüse, Fleisch und/oder Fisch. Beliebt sind Currys und Paellas.
  • Fleischgerichte:Dauerbrenner sind Döner Kebab, Lamacun oder Gyros Pita, aber auch knusprige Wan-Tans mit Hähnchenfüllung.
  • Fischgerichte
  • Gebäck mit oder ohne Gemüse und/oder Fleischeinlage: Sandwiches, Hotdogs, Burger, Brezeln und andere belegte und gefüllte Brotarten, Fladenbrote wie Chapati, Samosa oder Pizza lassen sich aus der Streetfoodszene nicht mehr wegdenken.
  • Suppen und Eintöpfe: diverse Varianten vom klassischen Linseneintopf bis zur Pho Bo (Vietnamesische Nudelsuppe mit Rindfleisch).
  • Obst, Kuchen und Süßigkeiten: zum Beispiel Blueberry Pancakes, Baklava oder Frozen Yoghurt, runden das bunte Angebot ab.

Wer hat's erfunden?

Anders als gedacht, Streetfood ist keine aktuelle Erfindung, sondern kann sich auf eine jahrhundertealte Tradition berufen. Lediglich die Bezeichnung ist neu. Bereits in der Antike gab es Streetfood. Denn nicht jeder Haushalt verfügte über eine eigene Küche, weshalb das angebotene Streetfood schlicht eine tägliche Notwendigkeit war. Wer zuerst die bahnbrechende Idee hatte, Essen auf der Straße anzubieten, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren.

In Asien ist Streetfood schon seit dem Ende des 12. Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit. Ferner auf den mittelalterlichen Basaren des Orients war es üblich, dass die Menschen ihr Mittagessen an Straßenständen erstanden und dort verzehrten. In Europa gibt es ebenfalls frühe Zeugnisse von Straßenküchen. In Neapel waren im 17. Jahrhundert Makkaroni mit geriebenem Käse ein beliebtes Auf-die-Hand-Gericht, bevor im 18. Jahrhundert schließlich die Pizza Napoletana erfunden wurde.

Selbst in Deutschland ließen sich die Menschen schon im Mittelalter von Straßenküchen versorgen. Beim Bau der Steinernen Brücke (1135-1146) in Regensburg entstand neben der Baustelle die „Garküche am Kranchen“. Sie versorgte nicht allein die Handwerker, sondern auch die übrige Stadtbevölkerung mit gesottenem Fleisch, Kraut und Brot. Noch heute befindet sich an dieser Stelle die „Historische Wurstkuchl“, ein Zeugnis der historischen Garküche. Sie begeistert die Regensburger noch heute mit ihren Bratwürsten vom Holzkohlegrill.  Eins der vermutlich ältesten deutschen Streetfood-Gerichte nennt sich die „Drei im Weggla“. Für Nicht-Franken: Dahinter verbergen sich drei Nürnberger Würstchen im Brötchen. Bereits im 14. und 15. Jahrhundert hätten Reisende an Garküchen die Würste genossen.

Streetfood im 21. Jahrhundert

Streetfood ist heute ein globales Phänomen. In den südlichen Staaten Asiens und in Afrika sind die bunten Gerichte fester Bestandteil der täglichen Essenskultur. Wer schon mal in Thailand, Vietnam, Indien oder in afrikanischen Städten unterwegs war, konnte sich selbst von den vielseitigen Genüssen der Garküchen überzeugen. Dort verkaufen Einheimische an traditionellen, fahrbaren Garküchen für das jeweilige Land typische Spezialitäten wie Nudelsuppen und Tandoori-Chicken. Nicht zuletzt aufgrund der günstigen Preise sind die Speisen auch für Ärmere bezahlbar. Außerdem verdienen viele Menschen mit dem Verkauf von Streetfood ihren Lebensunterhalt.

Der Trend in Deutschland

Leckere, schnelle und unkomplizierte Bedürfnisbefriedigung – in Deutschland verbinden wir damit automatisch die seit langem präsente Imbisskultur. Pommes Frites, Currywurst und Bratwurst im Brötchen sind deren beliebte Klassiker. An mobilen Verkaufsständen oder in kleinen Läden werden die schnell zubereiteten Snacks verkauft, die je nach Belieben stehend oder gehend verspeist werden können. Doch hat die etablierte deutsche Imbisskultur Konkurrenz bekommen. Der neue Trend entstand vor etwa sieben Jahren in den USA. Er ist mittlerweile auch in Europa - und damit auch bei uns - angekommen.

Was ist neu an Streetfood?

Streetfood ist das Fastfood oder der Imbiss von heute. Es sind zumeist raffinierte, kleine Snacks, die an liebevoll gestalteten Ständen oder in sogenannten Foodtrucks verkauft und gleich vor Ort gegessen werden. Doch anders als beim Fastfood oder beim Imbiss handelt es sich bei den Inhabern der Stände größtenteils um Idealisten, die einem selbstauferlegten Ehrenkodex folgen. Charakteristisch für die Szene sind zudem zahlreiche Migranten, welche die Gerichte ihrer heimatlichen Küche wiederbeleben. Grundsätzlich lassen sich drei Kategorien ausmachen:

  • Heimwehküche: Kochaffine Menschen mit ausländischen Wurzeln, die ihre Heimatgerichte in Deutschland an mobilen Imbissen neu aufleben lassen.
  • Foodtruck: Personen, die alte Busse und LKW in fahrende Restaurants verwandeln
  • Ernährungstrend: Idealisten, die mit ihren flexiblen Take-Away-Küchen ein neues Ernährungsbewusstsein proklamieren (vegane, regionale Küche).

Interessanterweise besteht der Großteil der Macher aus Quereinsteigern, und die wenigsten können eine Ausbildung als Gastronom vorweisen. Viele verwirklichen sich mit ihrem Foodtruck einen wahren Aussteigertraum, nachdem sie lange von etwas Eigenem geträumt haben, aber das große finanzielle Risiko sie noch zurückhielt. Denn anders als die vielerorts hohen Mieten, lässt sich ein Foodtruck oder ein Stand mit Garküche leichter bezahlen. Außerdem schätzen viele die Mobilität und Flexibilität von Streetfood. Ohne großen Kapitalaufwand können sie ausprobieren, welche Gerichte bei welchem Publikum gut ankommen.

Authentizität, Qualität und Geschmack stehen beim Streetfood an erster Stelle. Anders als beim üblichen Fastfood legen die Macher großen Wert auf die Konzeption ihrer Gerichte. Die Speisen sollen möglichst einzigartig sein. Somit übertreffen sie sich gegenseitig mit ausgefallenen Kreationen, aber auch durch die Qualität und die Auswahl der Zutaten. Viele der Gerichte sind daher hausgemacht, hergestellt aus frischen, idealerweise regionalen Produkten und saisonalen Zutaten. Letztlich kann der Kunde dabei zuzusehen, wie das Essen frisch vor seinen Augen zubereitet wird. Auch die Veredlung von typischen Fastfood-Gerichten, wie zum Beispiel die Currywurst mit Goldstaub, ist Teil des neuen Trends.

Generell sind die Gerichte im Vergleich zum herkömmlichen Fastfood und Imbissangebot wesentlich frischer und können damit mehr Nähr- und Vitalstoffe aufweisen. Außerdem verzichten die Macher überwiegend auf Fertigprodukte, wodurch die Speisen keine Geschmacksverstärker und andere Zusatzstoffe beinhalten. Dennoch können einige Streetfood-Gerichte, wie zum Beispiel Burger, viele Kalorien und Fette enthalten. Also genießen Sie Ihren Burger bewusst.

Hotspots der Szene in Deutschland

Die Ursprünge des Streetfood-Trends hierzulande liegen in Berlin. Seit April 2013 findet in der Markthalle Neun der sogenannte Street Food Thursday statt. An rund vierzig Ständen und Foodtrucks kann sich der Besucher immer donnerstags durch eine bunte Vielfalt an Streetfood schlemmen. Im gleichen Jahr startete der Berliner BiteClub. An ausgewählten Terminen lässt sich auf dem Uferstreifen an der Spree und auf der Hopetosse mit musikalischer Untermalung in die vielfältige, kulinarische Welt abtauchen.

Seit dem Frühling/Sommer 2014 nahmen andere deutsche Großstädte wie Hamburg, München, Köln und Düsseldorf den Trend auf. Spätestens seit Beginn dieses Jahres (2015) feiern die meisten größeren Städte Streetfood-Festivals.