Koscheres Essen

Kinder bereiten sich auf Pesach vor

Koscher im Kindergarten

Stand: 19.04.2008, 06:00 Uhr

Pessach ist eines der wichtigsten Feste für gläubige Juden. Über den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten lernen auch schon die Kleinsten in den jüdischen Kindergärten. Auch christliche und muslimische Eltern schicken ihre Kinder hier hin.

Von Christian Hermanny

"Kann ich noch Kartoffelsalat bekommen?" - "Ich habe keinen Saft mehr." Es geht turbulent zu beim Mittagessen in der Dortmunder Brücken-Kindertagesstätte. Die Kinder essen auf dem Boden, von Papptellern statt vom Service. Das Geschirr ist bereits weg geräumt - es ist nicht "pessach-koscher". Vor dem großen Fest wird in der jüdischen Kita alles weggeräumt. Denn zum Pessach-Fest - das an den Auszug aus Ägypten und an das Ende der Sklaverei erinnert - gibt es alles neu: Geschirr, Besteck, Schüsseln, sogar Töpfe und Zahnbecher. Dann werden alle Lebensmittel aus dem Gebäude gebracht und eine aufwändige Reinigung beginnt. "Man muss gucken, dass wirklich nirgendwo mehr ein Krümel geblieben ist", sagt Rabbiner Apel Avichai.

Miteinander der Religionen

Eigene Lebensmittel bringen die Kinder ohnehin nie mit in ihre Kita. Die Einrichtung der jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund kauft alles ein - natürlich koscher. Dabei ist rund ein Drittel der Drei- bis Sechsjährigen gar nicht jüdisch. Christliche Kinder besuchen die Kita ebenso, wie muslimische. "Hierher kommen die Kinder, um das Judentum zu lernen", sagt Kita-Leiterin Monika Röse. Sie selbst ist evangelisch und sieht viele Parallelen zu den anderen Religionen. "Man lernt immer wieder das ein oder andere hinzu. Das ist ein schönes Miteinander." Allerdings werden ausschließlich die jüdischen Feste gefeiert. "Die Kinder werfen sonst alles durcheinander, wenn wir da nicht scharf trennen", sagt Röse.

Viel Arbeit: Die Küche vor dem Fest reinigen

Der Rabbiner nimmt inzwischen die rituelle Reinigung der Küche vor: Die Spülmaschine muss einige Stunden ohne Inhalt heiß laufen, das gleiche gilt für den Backofen. Dann wird die Arbeitsplatte mit kochenden Wasser übergossen. "Man putzt mit allen Mitteln, die es gibt - auf, im, unter und hinter dem Herd. Wo es für die Finger zu eng ist, wird Spülmittel hingesprüht", erklärt der Rabbiner und versiegelt einen Schrank mit "normalen" Töpfen, die an Pessach nicht benutzt werden dürfen. Zuhause würden das die wenigsten jüdischen Familien machen. Viele konnten ihren Glauben bislang nicht ausleben. Sie sind aus der ehemaligen Sowjetunion ins Ruhrgebiet gekommen. "Sie wissen oft gar nicht, wie man die jüdischen Feste feiert", so Rabbiner Avichai.

Eltern schätzen die Kita

Im Eingangsbereich hängen für die Eltern zu jedem Fest und Brauch Informationsblätter, an jüdischen Feiertagen ist die Kita geschlossen. Die Kinder singen und beten auf Hebräisch, lesen aus der Tora, hören viel von Gott. Die Älteren haben die Geschichte des Mose nachgebaut. "Das macht viel Spaß", sagen Laura und Noah. "Mein Sohn bekommt hier die Werte und Traditionen vermittelt", sagt Maren Tuszynski aus Dortmund. "Die Feiertage, die Achtung vor der Natur und den Menschen, alles das kann ich Noah nicht so gut beibringen, wie er das hier mit anderen Kindern lernt." Sylvia Ewelt ist selbst katholisch, ihr Sohn Tristan ist nicht getauft. "Das Angebot der Kita ist es nicht allein, warum mein Sohn hier ist", sagt sie, "sondern auch das Interesse an anderen Kulturen. Mein Sohn soll sich später seine Religion einmal selbst aussuchen."

Kein Hebrächisch-Unterricht

Gegründet wurde die Kita 2003. Seit 2007 ist sie Familienzentrum. In ihrer Ausrichtung ist sie "traditionell": "Sie passt für orthodoxe, liberale, progressive aber auch atheistische Juden", sagt der Rabbiner. Missioniert wird bei den Juden ohnehin nicht, aber wessen Kind einen der 48 Kita-Plätze bekommt, muss selbstverständlich mit täglichen Gebeten und jüdischen Feiern einverstanden sein. Eigenen Hebräisch-Unterricht gibt es aber nicht - im Gegensatz beispielsweise zur jüdischen Kita in Köln. "Wir sprechen hier deutsch, weil wir die Kinder ganz intensiv integrieren und auf die Schule vorbereiten wollen", sagt Monika Röse. Mehr als 80 Prozent der Kinder haben Deutsch ohnehin nicht als Muttersprache.

Nächste Generation ist vertrauter mit der Religion

Die Zuwanderer vor allem aus dem ehemaligen Ostblock haben dafür gesorgt, dass die jüdischen Gemeinden deutlich gewachsen sind. Eigene jüdische Kitas in Dortmund, Köln und Düsseldorf belegen, dass jüdischer Glaube auch wieder überliefert wird. In der Brücken-Kindertagesstätte sind die Vorbereitungen zum Pessach-Fest so gut wie abgeschlossen. Tagelang haben die drei jüdischen und die drei nicht-jüdischen Erzieherinnen mit den Kindern zum Thema gearbeitet. Zum Schluss werfen die Kleinen ihre alten Zahnbürsten und -putzbecher nahezu feierlich in den Müll - zum Pessach-Fest gibt es neue. Rabbiner Avichai: "Ich hoffe, dass unsere Kinder in ihren Familien später schon ganz anders feiern und die jüdischen Gesetze halten."